kurzkritik : Wetterfestes Ensemble
Es ist Herbst. Der Musiktheaterfreund tänzelt durch die Pfützenlandschaft zum Openair-Parkett. Auf dem Gestühl haben sich kleine Seen für Verdis „Aida“ zurecht gemacht. Das ficht die Bremer nicht an. Sie haben Decke, Kissen, Regenjacke dabei, rücken näher zusammen, genießen den Samstagabend auf der Galopprennbahn. Freiluftoper als Naturspektakel – mit Rauchen, Trinken, Essen. Dazu Verdis martialisches Theaterfest mit integrierter Triangel-Liebelei: tenorale Kraftnatur zwischen exotisiertem Sopran und wuchtiger Mezzoscheuche. Es dirigiert Maestro Diego Crovetti. Es treten auf Chor und Ballett der Staatsoper aus Plovdiv (Bulgarien). In der zweiten Reihe stehen väterlich-priesterlich Bass-Bariton-Sekundanten. Stehen? Inszenierung heißt hier, SängerInnen auf die Bühne zu stellen und so lange herumstehen zu lassen, bis sie ausgesungen haben. Mit robuster Eindeutigkeit wird derweil im Orchesterzelt gewerkelt und prosaisch grell zwischen Gewalt und Gefühl, Staatsmacht und Liebesverfangen kontrastiert. Darüber hinweg hilft der Purismus des Bühnenbildes: Statt mit Palmen-Pyramiden-Kitsch zu prunken, setzt man auf ägyptisierte Stehrumskis nach Art der Bastelbögen auf Corn-Flakes-Packungen. Meckern sollen andere. Bremen feiert das wetterfeste Ensemble.
Jens Fischer