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West-Grüne stutzen sich die Flügel

Beim Grünen-Parteitag in Dortmund erleidet die realpolitisch orientierte Strömung eine deutliche Niederlage bei der Wahl zum Bundesvorstand / Flügelexponenten abgewählt / Christian Ströbele zum Sprecher gewählt  ■  Aus Dortmund G.Nowakowski

Bei der Neuwahl zum Bundesvorstand hat die reformorientierte Strömung der Partei eine deutliche Niederlage erlitten. In einem vom Willen der Delegierten nach Ausgleich geprägten Parteitag votierten die Delegierten für einen mit Vertretern aller Strömungen besetzten Bundesvorstand. Als Sprecher setzte sich der für die Linken angetretene Berliner Rechtsanwalt Hans-Christian Ströbele (51) gegen den bisherigen Amtsinhaber Ralf Fücks vom „Grünen Aufbruch“ durch.

Die realpolitisch orientierte Strömung wertete die Niederlage als „Rache für Hagen“. Auf dem dortigen Parteitag waren das Bündnis Realos/Aufbruch mit dem Versuch gescheitert, die Linke auszugrenzen. Zu Sprecherinnen in dem dreiköpfigen Gremium wurden die gemäßigte Reala Heide Rühle (41) gewählt, die sich stark gegen Spaltungsbemühungen engagierte, sowie die unabhängige Linke Renate Damus (50), die bereits im bisherigen Vorstand als Schriftführerin vertreten war.

Auch auf die weiteren Positionen im elfköpfigen Gremium wurden unbelastete und in der Partei teilweise völlig unbekannte Personen gewählt. Offenbar zur ausgleichenden Gerechtigkeit wurde auch der Wortführer der Linken im Vorstand, Jürgen Reents, von den Delegierten in seiner Funktion als Beisitzer nicht bestätigt.

Das neue Sprechergremium wertete seine Wahl als „Signal für einen Neuanfang“ jenseits der bisherigen Konfrontation der Strömungen. Die Partei hätte rechtzeitig zur Wahl personell und inhaltlich „Tritt gefaßt“. Die Grünen stellten die einzige klare Opposition in der Bundesrepublik dar und würden alles tun, „um Kohl vom Thron zu holen“, erklärte Christian Ströbele. Er hält es durchaus für möglich, mit den nach der Niederlage maßlos enttäuschten realpolitischen Vertretern zusammenzuarbeiten und auch inhaltliche Gemeinsamkeiten herzustellen. Der Parteitag hätte bereits die Fähigkeit zu flügelübergreifenden programmatischen Erklärungen bewiesen.

Auf dem dreitägigen Treffen in Dortmund wurden Beschlüsse zu einer radikalen Änderung der Energie- und Verkehrspolitik zur Abwendung der Klimakatastrophe - der 7.Oktober, Eröffnungstag der Internationalen Automobil-Ausstellung, ist als „Aktionstag gegen Autobahn“ vorgesehen - und eine vollständige Entmilitarisierung eines Gesamtdeutschlands bis zum Jahre 2000 gefaßt.

Zugleich wurden die Weichen gestellt für eine Vereinigung mit den DDR-Grünen und ein gemeinsames Wahlbündnis mit den DDR-Bürgerrechtsgruppen. Kommentar auf Seite 10

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