: Werkverträge statt Tariflohn auf dem Bau
■ Lohndumping nicht nur im Hafen: Hamburger Unternehmen kündigt Entlassungen an
Hamburgs größter Baumarkt, so verkündet ein Schild, entsteht derzeit an der Wandsbeker Zollstraße. Hamburgs Bauarbeiter stehen dabei draußen vor der Tür – gestern während einer Betriebsversammlung und auch zukünftig. Die Baufirma Dyckerhoff+Widmann AG (Dywidag) hat 50 Stammarbeitnehmer von der Baustelle abgezogen und durch Werkvertragsarbeitnehmer aus Portugal ersetzt. Die Hamburger Kollegen sind derweil „in Schlechtwetter“ und erhalten vom Arbeitgeber 75 Prozent ihres Bruttogehalts als Überbrückungsgeld. 40 bis 90 Männer werde die Firma jedoch entlassen müssen, erklärte Hauptniederlassungsleiter Hans-Hinrich Stüben gegenüber der taz.
Von „modernem Raubrittertum“ der Bauunternehmer sprach Christoph Burmester als Vertreter der Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt während der Betriebsversammlung. Die Unternehmen begründeten die Beschäftigung von „billigeren“ Arbeitnehmern mit der schlechten Konjunktur, hätten ihren Aktionären jedoch im vergangenen Jahr bis zu 20 Prozent Dividende ausgezahlt. „Und die Dywidag gehört auch dazu.“
Mehr Verständnis für die Sparmaßnahmen der Dywidag zeigte hingegen der stellvertretende BetriebsratsvorsitzendeHartmut Schloß gegenüber der taz: „Ausschließlich mit Stammarbeitneh-mern kann niemand mehr gegen die Konkurrenz bestehen – selbst dann nicht, wenn er es wollte.“ Die Firma spiele keine Vorreiterrolle in der Beschäftigung von Billiglohnarbeitern. Mit seiner Bewertung liegt der Betriebsratsvertreter – anders als sonst üblich – ganz auf der Linie der Geschäftsleitung. „Wir haben möglichst lange versucht, die eigenen Leute zu halten“, so Stüben. „Mit diesen Löhnen bekommen wir aber keine Aufträge mehr.“
Schadensbegrenzung erhoffen sich Betriebsrat und Gewerkschaft durch das „Entsendegesetz“, das Mindestlöhne auch für ausländische Arbeitnehmer festschreiben soll. Über dessen Höhe sind Arbeitnehmervertreter und Unternehmer naturgemäß uneins. Während die Gewerkschafter den tariflichen Stundenlohn von 24 Mark für alle fordern, schlagen die Arbeitgeber ein Mindestsalär von nur 15 Mark vor. „Das Gesetz macht nur Sinn“, so Schloß, „wenn es bei 18 bis 20 Mark angesetzt wird.
Als „Schritt in die richtige Richtung“ wertet Stüben das Gesetz, das die Entwicklung allerdings nur „sehr partiell“ beeinflussen könne. Das Klagelied über zu hohe Lohnnebenkosten kennt auch der Niederlassungsleiter: „Die Steuerverhältnisse und Sozialversicherungskosten hätten längst harmonisiert werden müssen.“ Für die Gewerkschaft gebe es derzeit kein drängenderes Problem als das Lohndumping, sagte Burmester während der Versammlung. Mit einer Lösung des Problems konnte auch er nicht aufwarten.
Stefanie Winter
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