: Werkbund
■ Gras auf Reisen
Schlank und doch nicht ohne Sinn für Romantik, recht schnell manchmal bewegen sich lächelnd zwei Gitarren und ein Schlagzeug in den Frühling und warten auf den Sommer. Alle rufen »Huhu« und »Ich bin's«. Auf dem Land feiert man Parties. Ein paar Stimmen verwehen im Sommerwind. Wer gerade mit dem Rauchen angefangen hat, versucht's auch vergnügungssüchtig gleich mal mit Hasch oder Gras.
Die Cassette der westberliner »Werkbund« Kapelle schiebt man in den Recorder, wenn die wagenlenkende Freundin in lauer Luft auf dem Weg zur Badeanstalt kurzzeitig unaufmerksam ist. Ihr kommen dann - wie den Musikern selber - Cocteau Twins- und Fehlfarbenassoziationen. Zunächst wird sie unwillig die Thälmannmütze vom Kopf nehmen, sich zu kratzen, dann wird sie doch anfangen zunächst ironisch, dann ganz unbeschwert mitzuwippen. Die Straße zieht vorbei. Es ist wahnsinnig nett und sympathisch, daß alle im Auto das Badezeug zu Haus schon angezogen haben. Ich denke währenddessen an die Puhdys. »Treibende Steine«; das kann eigentlich nur von Wolfgang-Tilgner-Gott-hab-ihn-selig kommen. Was wäre passiert, das wäre passiert, wenn die Puhdys jetzt zwanzig wären und nun plötzlich anfangen würden, mit »Extrabreit« zu musizieren?! Ein paar Wellen kräuseln sich auf dem Liepnitzsee.
Die Stücke von »Werkbund« klingen vor allem »wie« oder »als«. »Wie ein leuchtendes Geschwür im Herzen/ Lösch die Kerzen, lösch die Kerzen.« Als handele es sich um Hits, zu denen ein jeder mit jeder Anfang der achtziger getanzt hätte. Schade, daß man nicht dabei war. Als hätte man das nur zufällig verpasst. Verhalten romantisch begibt sich die Band auf ihre Suche nach Höhepunkten. Popschnell grinst das Schlagzeug. Damals begleiteten Werkbund ganz sicher auf dem billigen Recorder auf dem Nachtisch junger Mädchen im Hintergrund schüchterne sexuelle Gehversuche. Vielleicht tun sie's auch heute. Die Eltern klappern währenddessen in der Küche mit dem Geschirr. Zu unrechter Zeit klopft der Vater an die Zimmertür und ruft zur Mahlzeit. Der Vater bleibt draußen. Die Leute sollen sich amüsieren.Werkbund spielen um 21 Uhr im Osten. dk
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen