: Wer zahlt für Ost-Berlin?
■ Regierungserklärung im Roten Rathaus: Finanzierung des Ostberliner Haushalts für den Magistrat das „gravierendste Problem“ / Bündnis 90 übt Kritik
Ost-Berlin. Tino Schwierzina, Oberbürgermeister, hält die Finanzierung des Magistrats-Haushalts nach der Währungsunion für das „gravierendste Problem“ Ost-Berlins. Das erklärte der Sozialdemokrat gestern in seiner Regierungserklärung vor der Stadtverordnetenversammlung. Es gebe bisher keine Informationen darüber, welchen finanziellen Beitrag die DDR -Regierung zum Ausgleich des Haushaltes leisten wolle. Bisher kamen zwei Drittel des kommunalen Haushalts aus dem DDR-Finanztopf. Schwierzina will die ungeklärte Situation am Freitag bei seinem Treffen mit Ministerpräsident de Maiziere ansprechen. Ost-Berlin könne nicht erwarten, daß West-Berlin dem anderen Teil der Stadt in nennenswertem Umfang finanziell unter die Arme greife, sagte er weiter. Deswegen stünden Berlin in der Finanzpolitik schwierige Jahre bevor. Schwierzina wies darauf hin, daß der Magistrat nur eine Regierung auf Zeit sei. Der größte Teil der Arbeit werde daher von Tagespolitik geprägt sein. Als wichtigste Aufgaben nannte er die Demokratisierung der Verwaltung, die Verbesserung der Lebenssituation für die Bevölkerung und „grundlegende Veränderungen in fast allen Bereichen der Kommunalpolitik“.
Der Magistrat werde sich für eine gesetzliche Mietpreisbindung sowie ein wirksames Wohngeldsystem einsetzen. Ein wichtiger Schritt für die Sicherung der Mieter sei die Umwandlung der kommunalen Wohnungsverwaltungen in städtische Wohungsgesellschaften. Eine der großen Aufgaben der nächsten Jahre sei der Wohnungsneubau. Nach Schwierzinas Angaben fehlen im Ostteil der Stadt etwa 50.000 Wohnungen, in West-Berlin seien es noch einmal so viele.
Notwendig sei auch eine aktive Beschäftigungspolitik. Der Magistrat erwarte von der Bundesregierung und der DDR -Regierung, daß seine Arbeit zum Aufbau einer aktiven Arbeitsmarktpolitik durch entsprechende Finanzierung unterstützt werde. Das ganze Berlin stehe aufgrund seiner besonderen politischen und geographischen Situation vor vielschichtigen arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen, die von ihm allein aus eigener Kraft nicht gelöst werden könnten.
Schwierzina kündigte außerdem an, daß ab sofort eine gemeinsame Verkehrsplanung und eine gemeinsame Flächennutzungsplanung mit dem Westteil der Stadt betrieben werde. Auch ein gemeinsamer Landeskrankenhausplan für ganz Berlin solle erstellt werden.
Obwohl die Aussprache über Schwierzinas Regierungserklärung erst für kommenden Mittwoch vorgesehen ist, übte das Bündnis 90/Grüne gestern schon Kritik an den Äußerungen des Oberbürgermeisters. In einer Pressererklärung warf das Oppositionsbündnis der Regierung vor, noch vor der Vereinigung Deutschlands in Berlin „mit großer Eile Tatsachen“ schaffen zu wollen. Die Vereinigung sei kein Zaubermittel, sondern bringe im Gegenteil schwerwiegende Risiken mit sich, wenn sie lediglich „als Anpassung der Bedingungen in Ost-Berlin an die Erfordernisse von West -Berlin verstanden wird“.
ccm
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