: Wer wollte Schönhuber sehen? - Stimmen zum III-nach-Neun-Spiel
■ Statt einer ausgefallenen, aber notwendigen Debatte: taz befragte Medien-ExpertInnen, Ausländer-PolitikerInnen und Bremer Juden zum Schönhuber-Auftritt
Die Idee war eigentlich folgende: In der taz sollte ein bislang unterbliebener Streit nachgeholt werden. Thema: Was hat Herr Schönhuber noch bei III-nach-Neun zu suchen? - Gar nichts? Seine eigene Entlarvung? Einen politischen Neuanfang der Rechtsradikalen? Die Fortsetzung der Fernsehunterhaltung mit anderen Mitteln? Wunschgemäß Beteiligte: Demonstranten vor dem Studio und Mitglieder der III-nach-Neun-Redaktion. Beide signalisierten gestern unabhängig voneinander: „Kein Interesse“. Wir baten deshalb Beteiligte, Betroffene und medienpolitisch Berufene um ihre Stellungnahme zu Schönhubers Auftritt.
Wolf Neubauer, III-nach-Neun-Redakteur: „Für mich vertritt auch ein Franz Schönhuber ein Teil dieses Volkes. Wenn man solche Leute in den Medien schlicht ausblendet, sie nicht zu Wort kommen läßt, tut man ihnen wahrscheinlich den größeren Gefallen, als wenn man sich mit ihnen kritisch und öffentlich auseinandersetzt. Ich räume ein: Dieses Konzept ist in der Sendung in der allgemeinen Hektik nicht aufgegangen. Ein Team professioneller Journalisten und Moderatoren, wie es III-nach-9 ist, hätte souveräner mit der Situation umgehen müssen. Daß es dazu nicht kam, ist allerdings auch die Schuld der Steinewerfer vor dem Studio. Sie haben Schönhuber damit den größten Gefallen getan.“
Bernd Neumann, MdB und medienpolitischer Experte der CDU: „Prinzipiell halte ich solche Einladungen für hinnehmbar. Radio Bremen hat seinerzeit den noch einsitzenden Terroristen Peter Paul Zahl eingeladen, kürzlich war Egon Krenz bei III-nach-Neun zu Gast, ein Mann, der politisch für weit mehr Unheil verantwortlich ist als Herr Schönhuber. Wenn eine Redaktion solche Gäste für journalistisch attraktiv hält, kann ich das akzeptieren. hier bitte den Mann mit Fliege
Allerdings: Wenn man sich solche outlaws schon ins Haus holt, dann muß man sich auch doppelt sorgfältig vorbereiten, dann muß man sie in der Sendung gefälligst auch vorführen. Das ist III-nach-Neun bei Krenz gründlich mißlungen. Bei Schönhuber kann ich das nicht beurteilen, ich habe die Sendung nicht gesehen. Aber wenn es so wäre, daß Schönhuber das Fernsehen als Plattform für seine Propaganda überlassen wurde, wäre das natürlich fatal.“
Siegfried Stoppelmann für den Vorstand der israelitischen Gemeinde in Bremen: „Ich finde es verheerend, wenn ein Mann wie Schönhuber mit absoluter Selbstverständlichkeit als Gast zu Radio Bremen gebeten wird. Mich schmerzt diese Entscheidung. Mir fehlt jedes Verständnis für diese Einladung. Nachdem keine Sendeanstalt Herrn Schönhuber noch einen solchen Auftritt ermöglicht hätte, muß nun ausgerechnet Radio Bremen ihn ausführlich zu Wort kommen lassen. Was das sollte, welches Konzept dahintersteckt, kann ich mir auch nach der Sendung nicht erklären. Was Herr Schönhuber wollte, ist klar geworden: Ihm geht es darum, sein politisches Come back vorbereiten. Tröstlich ist nur, daß es auch in Bremen noch Leute gibt, die gegen solche Auftritte protestieren.“
Brigitte Heimannsberg, Dachverband der Ausländer -Kulturvereine (DAB): „Ich finde es absolut in Ordnung, Leute wie Schönhuber auch in einer Talkshow zu Wort kommen zu lassen. Es nützt nichts, ihre Existenz zu verleugnen, sie im Verborgenen zu lassen. Allerdings: Wenn man sie einlädt, dann muß man natürlich auch mit den völlig berechtigten Protesten rechnen und sich darauf einstellen. Es wäre gerade eine Chance gewesen, den Konflikt öffentlich auszutragen. Stattdessen haben ein paar Moderatoren, die von der Situation völlig überfordert und offensichtlich überhaupt nicht auf sie eingestellt waren, Schönhuber unfreiwillig zum Star des Abends gemacht. Ich bin nicht darüber verärgert, daß Schönhuber eingeladen worden ist, sondern über das, was aus dieser Einladung herausgekommen ist. Im übrigen hätte ich mindestens erwartet, daß auch ein Ausländer zu dieser Auseinandersetzung eingeladen worden wäre.
Manfred Fluß, Medienexperte der Bremer SPD-Fraktion: „Für mich muß im Prinzip auch in den Medien jede politische Richtung zu Wort kommen können. Wie und wer im einzelnen, das sind freie journalistische Entscheidungen, aus denen Politiker sich rauszuhalten haben. Die Frage muß allerdings erlaubt sein: Welche Sendung ist für welche politische Kontroverse angemessen? Und da halte ich eine Sendung, in der eine bunte Gästereihe in lockerer Gesprächsrunde für die Unterhaltung des Publikums hier bitte den Mann mit Brille
sorgen soll, für wenig geeignet, um sich mit politischen Extremen auseinanderzusetzen. Gerade bei einem Medien-Profi wie Schönhuber ist es doch ziemlich naiv zu glauben, man könne ihn in einer Talkshow mal eben entlarven. Allerdings: Wenn man einen solchen Mann schon als Gast einlädt, dann muß man ihn auch zu Wort kommen lassen. Ich habe Verständnis für Proteste gegen Schönhubers Auftritt, ich habe kein Verständnis für die Aktionen, die seinen Auftritt unterbinden wollten.“
K.S.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen