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Wer kontrolliert künftig Hamburgs Ärzte?

■ Ärztekammer-Streit: Berufsaufsicht durch den Vorstand oder einen neuen Ausschuß

Die Berufsaufsicht über Hamburgs Ärzte muß künftig anders organisiert werden – diese Ansicht vertrat der Untersuchungsausschuß zum “Malariaskandal“ im Bernhard-Nocht-Institut (BNI) am Montag abend vor der Versammlung der Ärztekammer. Nicht der Kammervorstand, sondern ein neues Gremium „Berufsaufsicht und Patientenschutz“ sollte diese Aufgabe künftig wahrnehmen, so empfahl der Ausschuß. Ein Vorschlag, der auf strikte Ablehnung des Vorstandes stieß.

Das Untersuchungsgremium war im Januar von der Kammer eingesetzt worden, nachdem bekannt geworden war, daß der frühere Kammerpräsident Rolf Bialas schon 1992 über mögliche Fehlbehandlungen durch den BNI-Chefarzt Manfred Dietrich informiert war. Bialas hatte diesen Verdacht aber nicht an die Gesundheitsbehörde weitergeleitet.

Die Recherchen des Ausschusses förderten etliche Pflichtverstöße zutage: Danach hätten die damaligen Verdachtsmomente zu berufsrechtlichen Vorermittlungen führen müssen und nicht durch ein kollegiales Gespräch erledigt werden dürfen. Auch die Nichtinformation der Gesundheitsbehörde (die damals die Berufsaufsicht über das BNI hatte) kritisierte der Ausschuß. Konsequenzen gegen Bialas schlug er aber dennoch nicht vor: „Er hat zwar teilweise schuldhaft gehandelt, viele Vorgänge waren aber subjektiv erklärbar und ihm daher nur bedingt vorzuwerfen“, begründete Ausschußvorsitzender Bernd Kalvelage die Zurückhaltung. Der Vorstand sei schon damals so sehr mit Disziplinarfragen belastet gewesen, daß sich Bialas auf die Zuarbeit der Geschäftsführung habe verlassen müssen. Diese sei jedoch in einigen Punkten nicht korrekt gewesen. Durch die Verfahrensabweichungen habe Bialas Dietrich zwar geschont, eine absichtliche Deckung eines möglichen Fehlverhaltens habe man jedoch nicht entdecken können.

Wichtiger als Bialas' Versagen wertete der Ausschuß jedoch die strukturellen Probleme bei der Berufsaufsicht. „Der Vorstand ist derart stark mit Arbeit belastet, daß es an der erforderlichen Zeit für diese wichtige Aufgabe mangelt“, so Kalvelage. Auch könne es hin und wieder zu Interessenkonflikten kommen: Schließlich sei der Vorstand Repräsentant der Hamburger Ärzte, da könne es schwierig sein, gleichzeitig als deren Kontrolleur zu fungieren.

Deswegen hätten sie vorgeschlagen, daß künftig ein Ausschuß die Berufsaufsicht wahrnehmen solle. Einige Mitglieder fordern sogar ein Gremium, das nicht nur mit Ärzten, sondern auch mit Juristen und Patientenvertretern bestückt sein soll. Dies sei in der Kammerversammlung „mit großer Offenheit“ angehört, vom Vorstand aber abgelehnt worden.

„Als Beratungsgremium kann ich mir einen solchen Ausschuß denken, aber die Übertragung aller Kompetenzen vom Vorstand weg halte ich für nicht sinnvoll“, begründete Kammerpräsident Frank Ulrich Montgomery seine Ablehnung; zudem hielte er die Auslagerung dieser Aufgaben für rechtlich bedenklich. Der Vorstand hat deshalb eine Stellungnahme der Bundesärztekammer angefordert.

Würde die Hamburger Ärztekammer dennoch für das Ausschußmodell stimmen, könnte es auch eingeführt werden – die Berufsaufsicht ist durch Landesgesetz geregelt. Voraussetzung: Die Gesundheitsbehörde stimmt einer Gesetzesänderung zu. Für Kalvelage wäre das ein Riesenfortschritt: „Das wäre ein weiterer Schritt weg vom ständischen Denken.“ Die Kammerversammlung wird über das Thema wieder im Oktober beraten. Sannah Koch

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