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■ Fikret Abdić gibt sich für die Aufteilung Restbosniens herWer ist Täter, wer Opfer?

Bald können alle aufatmen, die sich um die Zerschlagung des bosnischen Staates verdient gemacht haben. Ob es sich nun um die rot-braunen Regierungen aus Belgrad und Zagreb handelt oder um die nationalistischen Extremisten Karadžić oder Boban – sie werden ihr Werk bald vollendet haben. Auch die Chefverhandler der Internationalen Organisationen, die ihr Bestes gaben, den bosnischen Staat kaputtzuverhandeln – seit dem Scheitern der Genfer Verhandlungen ist es ja verdächtig still um den Aufteilungsplan geworden –, erheben keinen Anspruch mehr darauf, die „Ergebnisse“ ihres Werks durchzusetzen oder überhaupt noch in die Öffentlichkeit zu bringen. Und auch die deutsche Gesellschaft kann sich bald von einer (moralischen) Last befreit fühlen, die ihre politische Selbstgefälligkeit gefährden könnte.

Denn seit der zwielichtige muslimanische Politiker der Bihać-Region, Fikret Abdić, die Verhandlungsangebote aus Zagreb und Belgrad angenommen hat, wird ein ex-jugoslawisches Paket geschnürt, das die Aufteilung Bosniens besiegeln soll. Indem Abdić sogar den Segen des serbischen Potentaten Milošević erhielt und mit dem Kriegsverbrecher Karadžić Modalitäten über den Zugang zu dem von Serben eingeschnürten Gebiet verhandelte, zeigt sich, daß über den Kopf des bosnischen Präsidenten hinweg gehandelt werden kann. Während die bosnische Regierung von allen verlassen im eingeschlossenen Sarajevo sitzt und machtlos dem Zerfall des noch von ihr gehaltenen Territoriums zusehen muß, schachern Tudjman und Milošević ungeniert um die Aufteilung der restlichen Gebiete.

Fikret Abdić ist da nur willkommene Figur in einem größeren Spiel. Der mafiose, in seiner Region populär gewordene ehemalige kommunistische Wirtschaftsmanager ist skrupellos genug, beim Aufteilungsschacher freiwillig mitzuwirken. Und dieser könnte so beschrieben werden: Die Bihać-Region geht zusammen mit der kroatischen Krajina an Kroatien, dafür bekommen die Serben freie Hand in Ostbosnien und Sarajevo, wenn noch ein Stückchen von Zentralbosnien für die Kroaten abfällt. Über den direkten Zugang zum Meer für Serbien südlich von Dubrovnik könnte dann auch gesprochen werden...

Die Arroganz dieser Machtpolitik, die sich über die Wünsche und Meinungen der in diesen Gebieten (noch) lebenden Menschen – denn die werden ja keineswegs gefragt – hinwegsetzt, wird dann noch zu guter Letzt als Werk des Friedens verkauft. Auch hier gibt Fikret Abdić die Stichworte. Der bosnische Präsident Izetbegović ist demnach – weil er sich gegen dieses Treiben stemmt – nicht nur der Störfaktor, sondern sogar der Schuldige des Krieges. Und selbst in der Weltpresse hat die Umkehrung von Ursache und Wirkung begonnen, werden die Kriegsverbrecher reingewaschen. Jetzt kann man getrost auf den Vorschlag warten, Milošević und Tudjman den Friedensnobelpreis zu verleihen... Erich Rathfelder, Split

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