piwik no script img

Wer erschoß Agos Agapian?

■ Der Führer einer Splittergruppe der armenischen Befreiungsbewegung ASALA wurde in Athen erschossen aufgefunden / Der radikale Armenierführer war vielen ein Dorn im Auge

Aus Athen Corinna Jessen

Erst zehn Stunden nach dem Mordanschlag sickerten die Informationen zur Identität des Opfers durch: Bedros Howanassian, bekannter als Agop Agopian, am 27.4. um 4.30Uhr von zwei Kapuzenmännern mit vier Schüssen aus einem Jagdgewehr in dem Athener Vorort Phaliron getötet. Agopian, 1945 als Sohn arabisch–armenischer Eltern im Irak geboren, gründete 1975 in Beirut die Asala (Geheimarmee zur Befreiung Armeniens, die für die Errichtung eines unabhängigen Staates Armenien kämpft). Nach der israelischen Invasion im Libanon 1982 verließ er Beirut, blieb aber Führer der Asala. Auf deren Konto ging der Anschlag auf die türkische Luftfahrtgesellschaft im Pariser Flughafen Orly im Juli 1983. Es gab acht Tote und 56 Verletzte; dieser Anschlag muß zur Spaltung der Asala geführt haben: Mode Malkonian gründete die „Asala - Revolutionäre Bewegung“ und verurteilte den Terrorismus Agopians. Dieser verließ die Asala und rief eine kleine Splitterbewegung ins Leben. Er wird für die Exekution gemäßigter armenischer Führer, vor allem in Beirut, verantwortlich gemacht. So beklagt die „Demokratische Front Armeniens“ in Paris seinen Tod, verurteilt aber gleichzeitig seine „chauvinistische Kursabweichung“. Agopians Verwandlungsfähigkeit galt als legendär, mehrmals war bereits sein Tod gemeldet worden. In Athen lebte er als Geschäftsmann aus dem Süd–Jemen. Nach Angaben der französischen Polizei soll er seit 1984 eine Zentrale seiner Befreiungsarmee in Athen aufgebaut haben. Der griechischen Polizei und der armenischen Gemeinde zufolge war er in Rauschgiftgeschäfte verwickelt und hat über eine große Menge Geld verfügt. Darüber kam es zum Bruch mit der palästinensischen Bewegung, mit deren Führern Abu Jihad und besonders Abu Nidal er eng zusammengearbeitet haben soll. Die griechischen Behörden und auch die französische Nachrichtenagentur haben inzwischen bestätigt, daß der Mann, der vorgestern in den frühen Morgenstunden seinen Flug - nach eigenen Angaben in die Schweiz - antreten wollte, Agop Agopian war. Das nämlich bezweifelt die griechische armenische Gemeinde, die nach wie vor behauptet, er sei bereits 1982 in Beirut gefallen. Darüber, in wessen Auftrag die Kapuzenmänner geschossen haben, gibt es nur Spekulationen. Freundlich gesonnen waren ihm weder der israelische noch der türkische noch andere westliche Geheimdienste, ebensowenig Teile der PLO. 1976 schossen ihm Anhänger der „Palästinensischen Front“ von Habbasch zehn Kugeln in die Beine, und auch in Asala–Kreisen hatte er Feinde.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen