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Wenn die Hüfte stillhält...

■ Eine Modenschau in der Begine

Wer erfahren will, welche Kleidungsvorschläge die beiden Modemacherinnen Marietta Jadamowitz und Susanne Gassmann Frauen für den Sommer und Herbst zu machen haben, sollte sich ihre »3. Modenschaw« unter dem verheißungsvollen Titel »Was trägt frau Tag und Nacht?« in der Begine anschauen. Geboten wird dort keine herkömmliche Modenschau, in der »makellose« Frauenkörper die neueste Kleidung präsentieren, sondern eine Mischung aus Revue, Theater, Musik und Mode. In einer pantomimischen Darstellung werden die vorführenden Frauen, allesamt keine Profimodells, Szenen aus dem Leben einer Frauen-Wohngemeinschaft zeigen; eine Möglichkeit, auch die entworfenen Schlafanzüge in die Geschichten einzubauen.

Idee und Anspruch der Modemacherinnen ist es, eine Präsentation der Entwürfe zu finden, die sich nicht an den dümmlichen und manirierten Schritten mit Hinterngewackel der großen Pariser Vorführungen orientiert — wie es auch immer wieder bei den Berliner Off-Messen zu sehen ist — sondern diese persifliert. Auch wenn die Mode im Vordergrund steht, soll sie doch von Frauen getragen werden, und diese haben nicht unbedingt die vorgegebenen genormten Idealfiguren.

Die neue Kollektion von Jadamowitz und Gassmann besteht nicht aus hyperavantgardistischen Stücken, im Gegenteil: alles ist tragbar, es dominieren klare Schnitte und Linien. Das Spektrum reicht von fast klassischen Jacken, meist mit rundem Ausschnitt und großen, mit Stoff bezogenen Knöpfen über weite und engere Hosen, über wenige Röcke, einteilige Hosenanzüge und weite Mäntel bis zu den schon erwähnten Schlafanzügen, auch ein Wanderanzug mit Kniebundhosen ist dabei; frau will sich ja auch sportlich betätigen. Insgesamt Kleidungsstücke zum Wohlfühlen — die Stoffe bestehen fast ausschließlich aus Naturfasern — , die über Jahre hinweg getragen werden können.

Marietta Jadamowitz und Susanne Gassmann haben seit Oktober 1990 auch eine eigene Werkstatt in der Nostizstraße 25, in der ihre Kundinnen Stoffe auswählen können und wo die Anproben stattfinden. Das Alter des mittlerweile fast hundert Frauen umfassenden Kundinnenkreises reicht von Mitte zwanzig bis zu siebzig Jahren: Das Atelier profitiert von dem Wunsch vieler Frauen nach individueller Beratung abseits von überfüllten Boutiquen und Kaufhäusern und von dem gesteigerten Wert, der in den letzten Jahen auch in der Frauenszene auf die optische Erscheinung gelegt wird.

»Wahrscheinlich werden wir älter und achten deshalb stärker auf unser Äußeres«, sinniert Marietta Jadamowitz, Anfang vierzig. Teurer als die Konfektion der Kaufhäuser ist die Ware aus der Nostizstraße natürlich, aber immer noch nicht überhöht, wenn Arbeitszeit und Material für eine gefütterte Jacke zu dem Preis von um die dreihundert Mark ins Verhältnis gesetzt werden. Ihren Lebensunterhalt vollkommen mit ihrer Werkstatt verdienen können die beiden Betreiberinnen deshalb nicht. Bisher ist die Arbeit für die gelernte Damenschneiderin Gassmann und die einer Schneiderfamilie entstammenden Autodidaktin Jadamowitz noch ein selbstausbeuterischer Luxus, der zum Teil mit weiteren Jobs finanziert werden muß. Bettina Schültke

Samstag und Sonntag um 20, Uhr in der Begine, Potsdamer Straße 139, 1-30, nur für Frauen

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