piwik no script img

Wenn der Regenbogen verblaßt

■ Kindheit als existenzielles Abenteuer. Kleine Kerle mit großen Problemen

Es ist, als hätte sich die Welt gegen Henrik verschworen. Seine Kindheit ist ein Abenteuer wider Willen. Der Zweite Weltkrieg zerstört seine Familie. Sein deutscher Vater fällt. Seine schwedische Mutter, eine bekannte Malerin, verspricht ihm Sicherheit in Schweden. Doch in Schweden ist er der Nazijunge. Auch wenn er jetzt statt Heinrich Henrik heißt. Und was ihm am meisten Angst macht, das Sterben um ihn herum geht weiter. Als hätte er den Krieg mitgenommen. Großvater, Freund, Freundin. Wer ihn liebt, muß sterben, glaubt Henrik. So ist es beinahe konsequent, daß im zweiten Band vom Pohls Regenbogentrilogie die Mutter verschwindet. Er hatte es schon immer befürchtet. Wenn sie malte, konnte sie alles vergessen. Henrik versinkt in einen Schock und taucht als Mikael ohne Erinnerung wieder auf.

Den Namen hat sein Adoptivvater ausgesucht. Der gelernte Buchhalter betrachtet Mikael ausschließlich von der Soll- und Haben-Seite. Wichtig ist ihm, daß die Bilanz stimmt und dafür ist er sogar bereit, Mikael totzuschlagen. Mikael übt sich im Überlebenskampf, doch ohne seine kleine Schulfreundin Sanne hätte er wohl nicht überlebt. Das Jugendamt sieht die Sache nicht so eng. Wieder mal bekommt das positive Schwedenbild Risse. Mikael muß flüchten. Um zu überleben, muß er Sanne verlassen. Die neuen Adoptiveltern sind arm und redlich. Sie ermöglichen ihm den Besuch der Oberschule. Eine Zeit relativen Glücks beginnt, gerade lang genug, um Atem zu schöpfen für das nächste Abenteuer.

Sein neuer Stiefvater zieht nach handfesten Turbulenzen aus. Mikael mag die Stiefmutter, aber nun ist sein ganzes Leben wieder in der Schwebe. Sie muß die Wohnung verlassen, weiß nicht, ob sie ihn behalten kann. Nur gut, daß Ferien sind und Mikael, genannt Mikke, auf Menschen trifft, die ihn mögen und bei denen er sich Fehler leisten kann, wie jeder andere auch. Mikke fühlt sich stark. Er will sein Leben meistern und niemals mehr in die Unterlegenheit zurückkehren. Nur die wenigsten Kinder schaffen es wie Mikke, sich aus zerstörerischen Umständen zu befreien und der Welt mitzuteilen vom heimlichen Krieg gegen die Kinder.

Weder Lerche noch Nachtigall

Sarah heiratet eine Familie. Sie verläßt ihr Zuhause, das Haus am Meer, ihren Bruder und Tanten, um mit Jacob und seinen Kindern Anna und Caleb auf einer Farm in der Prärie zu leben. Die Kinder sind glücklich, wieder eine Mutter zu haben. Sarah glaubt voller Zuversicht an eine glückliche Zukunft. Doch dann passiert das schlimmste, was einem ans Meer gewöhnten Menschen passieren kann. Eine große Dürre verwandelt das Land in einen Backofen. Erst vertrocknet die Ernte, dann versiegen die Brunnen. Das Wasser für die Tiere muß vom weit entfernten Fluß geholt werden. Die ersten Menschen packen ihre Sachen auf Pferdewagen und verlassen die Prärie. Manche erinnern sich an die letzte Trockenperiode. Viele kehrten damals dem Land für immer den Rücken. Für Jacob kommt das nicht in Betracht. Er wurde hier geboren. „Unsere Namen sind in dieses Land geschrieben“.

Sarah gehört nicht dazu. Das Meer lockt sie und doch möchte sie nicht so schnell aufgeben. Erst als ein Brand das halbe Gehöft zerstört, kehrt sie mit den Kindern ans Meer zurück. Jacob bleibt, hofft auf den großen Regen und daß Sarah den Weg zurück in die Prärie findet. Die Geschichte wird sehr einfach und eindringlich aus der Perspektive der Tochter Anna erzählt und zeigt, welchen Stellenwert der Zusammenhalt einer Familie in einem Kinderleben hat.

Alles geregelt

Klein Emma und Zacharys Eltern sind damit beschäftigt, verreist zu sein. Zachary, der große Bruder, ist mit sich selbst beschäftigt und Onkel Elliot und Tante Evelyn üben, wie das ist, Eltern zu sein. Sie haben keine Ahnung. Während Emma auf ihre Frühstücksgrapefruit mit Kirsche und sieben Guten-Morgen-Küßchen hintereinander wartet, schlafen sie einfach unerweckbar weiter. Da packt Emma Reiseproviant und beschließt wegzulaufen.

Doch immer wenn sie wegläuft, kommt sie nicht weiter als bis zum Haus von Mrs. Groundwine. Da holt sie ihr Bruder ab. Etwas reumütig, daß er sie in ihrer Einsamkeit so allein gelassen hat. Nun gibt es endlich sieben Küßchen und noch ein paar mehr für Emma. Überhaupt wird die Zeit mit Onkel und Tante noch ganz nett. Sie wissen wirklich nichts über Kinder. Dafür haben sie eine Menge unnützer Regeln. Viel mehr, als man sich leisten kann, wenn man das Elternwerden in neun Monaten lernen muß. Ulli Reule

Peter Pohl: „Während der Regenbogen verblaßt“. Hanser, ab 14 Jahre, 34 DM

Patricia MacLachlan: „Sarah singt wie eine Lerche“. Verlag Sauerländer, ab 10 Jahre, 26,80 DM

Patricia MacLachlan/Quint Buchholz: „Sieben Küßchen hintereinander“. Fischer Schatzinsel, ab 7 Jahre, 9,80 DM.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen