: Wenn der Mut zur Korrektur fehlt
■ Teach-in zum Tag der deutschen Einheit im Schauspielhaus
Thesen, Träume und Konzepte zur deutschen Einheit bestimmten gestern einen riesigen Workshop mit Politikern, Managern, Kulturschaffenden und Journalisten im Schauspielhaus am Gendarmenmarkt. Bei der öffentlichen Veranstaltung debattierten die Teilnehmer über Fehler und Versäumnisse in den vergangenen drei Jahren, über Möglichkeiten und Erfordernisse des deutschen Einigungsprozesses. Mit dabei unter anderen SPD-Vize Wolfgang Thierse, der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Ullmann (Bündnis 90/ Grüne), der letzte DDR- Ministerpräsident Lothar de Maizière, Horst Teltschik vom BMW- Vorstand sowie der Münchener Verleger Florian Langenscheidt.
Nach Ansicht von Thierse wird die innere Einheit nur gelingen, wenn die sozialen Probleme gelöst werden. Das Deutschland von heute sei ein „vielfach von Ängsten bedrängtes und von Ungleichheiten geprägtes Land“. Im Westen sei es die Furcht, Wohlstand einbüßen zu müssen. Im Osten dagegen bestimmten Existenzängste die Situation der Menschen. Die Politik müsse deshalb „entängstigend“ wirken, ohne schönzufärben, forderte der Politiker. Sachsens Kultusminister Hans Joachim Meyer (CDU) sagte, „Deutschland ist am dritten Jahrestag der neuen Einheit in keiner guten Verfassung“. Es gebe „überhaupt keine ernsthaft zu erörternden Gesamtkonzepte“. Bei vielen Politikern sei nicht einmal das Bewußtsein vorhanden, solche zu brauchen.
Schwerwiegende Versäumnisse bei der rechtlichen Ausgestaltung der Wiedervereinigung warf Ullmann den Verantwortlichen von damals vor. Die verfassungsrechtliche Grundlage der Verhandlungen zwischen der letzten DDR- und der Bundesregierung sei nie geklärt worden. Dagegen sprach de Maizière von einer Staatsvereinigung „in relativ sicherem Rahmen“. Was im nachhinein fehle, sei der Mut zur Korrektur. Viele Mängel und Fehler im Einigungsvertrag seien erst später sichtbar geworden. Eine Vision, wie er die Einheit gestalten würde, wollte er nicht zeichnen. ADN
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