: Wenn der Mohr seine Schuldigkeit getan hat
■ Pharmafirmen testen besonders gern ihre Medikamente in Entwicklungsländern
Südafrika ist für Aids-Forscher das ideale Versuchsfeld: Eine hohe, immer noch steigende Anzahl von HIV-Infizierten und Krankenhäuser mit gut ausgebildetem medizinischen Personal locken zahlreiche Pharmafirmen ins Land. Die klinische Erprobung neuer antiviraler Medikamente und Kombinationstherapien scheint hier besonders effektiv durchführbar. Auf die damit entstehenden ethischen Probleme macht ein kürzlich im British Medical Journal erschienener Artikel aufmerksam.
Peter Cleaton-Jones, Mitglied eines südafrikanischen Ethikkomitees, stellt die Frage: Was geschieht mit den aidskranken Versuchsteilnehmern nach Ende der Studien? Das öffentliche Gesundheitswesen kann ihnen die teuren Arzneimittel nicht zur Verfügung stellen. Auch Patienten, bei denen eine Therapie gut anschlägt, werden daher nach Ablauf der meist zwei- bis dreijährigen klinischen Versuche wieder ohne jede Versorgung gelassen. Nur wer sich eine private Behandlung leisten kann, erhält weiterhin Medikamente. Einige Ethikkomitees verlangen von der Pharmaindustrie wenigstens für die Versuchsteilnehmer, bei denen die getesteten Substanzen positiv wirken, auch über die Studie hinaus Medikamente bereitzustellen. Doch je teurer die Kombinationstherapien werden, deren Erfolge in den letzten Monaten so viel Aufsehen erregten, desto häufiger weigern sich die Firmen. Schließlich hätten die Patienten ja in die Bedingungen, zu denen auch die zeitliche Befristung der Studie gehört, eingewilligt.
Eine in zweifacher Hinsicht zynische Argumentation: Erstens, so Cleaton-Jones, haben viele Südafrikaner eine so geringe Schulbildung, daß sie kaum überblicken, was sie da unterschreiben. Zweitens ist die Teilnahme an einer Studie für die meisten Aids-Patienten der einzige Weg, wenigstens zeitweilig Medikamente zu erhalten.
Unter dem für das altehrwürdige Journal recht ungewöhnlichen Titel „Wissenschaftlicher Imperialismus“ legt der britische Kardiologe Peter Wilmshurst in der gleichen Ausgabe des British Medical Journal dar: Diese ethisch zweifelhaften HIV-Studien reihen sich ein in eine lange, unrühmliche Geschichte der klinischen Forschung in der „Dritten Welt“. So führten Pharmafirmen beispielsweise Versuche mit der Substanz Dipyrone, die anderswo nicht genehmigt wurden, an thailändischen Kindern und Erwachsenen durch. Und britische Ärzte, deren chirurgische Experimente die heimischen Ethikkomitees nicht zuließen, fanden ihre menschlichen Versuchskaninchen ebenfalls in den Entwicklungsländern.
Vom eventuellen Nutzen neuentwickelter Medikamente hat die Bevölkerung dieser Länder kaum etwas: Sie sind für Arme unerschwinglich. Statt dessen vermarkten die Pharmakonzerne dort bekanntlich gerne solche Mittel, die anderswo wegen mangelnder Sicherheit oder Wirkung längst nicht mehr zugelassen sind.
Die Armen der Entwicklungsländer dürften nicht für Forschungen benutzt werden, von deren Ergebnissen sie nicht profitieren, fordert Wilmshurst. Die indische Regierung kündigte bereits an, Versuche ausländischer Organisationen mit unerprobten Behandlungsmethoden nicht mehr zu tolerieren, wenn diese ausschließlich an indischen Staatsbürgern durchgeführt werden sollen. Wiebke Rögener
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