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Wenn der Durchschnitt Angst macht

■ Unrevolutionäres Treiben: In der kubanisch-deutschen Produktion Kleines Tropikana darf Peter Lohmeyer zur Rumba auch mal mit den Hüften wackeln

Ein durchschnittliches Leben ohne Farben, ein durchschnittlicher Tod – das ist es, so erklären die letzten Sätze von Kleines Tropikana, was uns zutiefst erschreckt. Eben solche Ängste vorm Durchschnitt möchte uns Regisseur Daniel Díaz Torres ersparen und hat auf fast nichts verzichtet, das einen Film bunt macht und Rezensenten zu Vokabeln wie „bizarr“, „surreal“, „abstrus“ oder „skurril“ verleitet. Eben solche Vokabeln wiederum bringen uns auf die Spur, da nacherzählende Versuche sich rasch im Dickicht einer komplexen Story verheddern, sich mithin weit über die zugestandenen Zeilen schinden würden.

Da hält sich einer lieber an Helmut Markworts drei Lieblingsworte und legt offen, dass der Film Tropicanita (so der Originaltitel) allein immerhin ein Drittel der kubanischen Jahresproduktion 1997 ausmacht. Enthüllt man dazu, dass das Budget zu einem Drittel, das sind schlichte 300.000 US-Dollar, von der Bertelsmann Media Group finanziert wurde, sind wir bei der erschütternden Tatsache angekommen, dass Castros Filmindustrie zu einem Neuntel von Bertelsmann am Leben erhalten wurde. Wer hätte das gedacht?

Aber, gemach, gemach! Mit Regisseur Díaz Torres unterstützte man einen, dessen Alicia en el pueblo de Maravillas (Alicia im Ort der Wunder) 1991 derart kritisch mit der kubanischen Gesellschaft umging ( „ein Erdbeben“ urteilt die Zeitschrift Zoom), dass ihm zunächst nur vier Tage Spielzeit vergönnt waren. Doch ein Erdbeben ist nun mal ein Erdbeben und der Nachfolger des prompt ausgewechselten Direktors des Filminstituts von Kuba konnte nicht umhin, dem Film salomonisch die Absolution zu erteilen: „Ebenso wie nicht alle Revolutionäre diesen Film als den ihren akzeptieren, verstehen auch nicht alle Feinde der Revolution, dass der Film nicht ihnen gehört.“

Nun mögen die Bertelsmänner reklamieren, dass der neue Díaz Torres aber zu einem Drittel ihnen gehöre, allerdings nennen sie damit noch lange keinen revolutionsfeindlichen Film ihr Eigen. Denn Kleines Tropicana ist der Revolution gegenüber herzlich indifferent. Díaz Torres hat sich mit dem Geld einfach mal ein bisschen ausgetobt. Zu den hierzulande just allseits beliebten Latinoklängen wird auf der Klaviatur der Filmformate gespielt, an verschiedenen Erzählinstrumenten gezupft, dieses oder jenes Genre angestimmt und mitunter „Lili Marleen“ gepfiffen. In dieser Art zitiert Díaz Torres ein wenig hier, experimentiert ein wenig da, kurz: wurschtelt sich so durch, um damit am Ende doch nur die Angst des Regisseurs vor einem mediokren Film zu bedienen.

Tim Gallwitz täglich ab heute, 20.30 Uhr, 3001 + 20 Uhr (Filmparty mit Peter Lohmeyer und Daniel Díaz Torres am Sa, 28. August), Zeise

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