: Wenn Türken für Deutschland siegen
Der deutsch-türkische Filmemacher Fatih Akin hat für seinen Film „Gegen die Wand“ den Goldenen Bären bekommen. Auch in Berlin sind Filmemacher, Schauspieler, Sänger, Journalisten und Politiker stolz auf diesen Erfolg. Und sie stellen Forderungen
Protokolle DANIEL BAX und UWE RADA
Aziza-A: „Das ist ein großer Schritt. Ich habe gestern Abend erlebt, dass selbst die Taxifahrer voller Stolz sind. Der Preis erfüllt auch mich mit Glück und Freude. Wir sind alle sehr stolz auf Fatih. Auf der anderen Seite kommt der Preis nach all den Jahren, in denen deutsch-türkische Filme produziert werden, auch ein bisschen spät. Aber nun geht es bergauf.“
Aziza-A (32) ist Sängerin und Rapperin
Neco Celik: „‚Gegen die Wand‘ ist Fatihs bester Film. Der Erfolg ist hervorragend. Früher kamen immer so Journalistenfragen, ob das jetzt ein türkischer oder ein deutscher Film ist, den er macht. Aber wenn man einen Preis gewinnt, interessiert das keinen mehr. Jetzt ist es ein deutscher Film. Das ist große Pionierarbeit für die kommende Generation. Was die türkische Community betrifft, werden die jungen Leute mit dem Film keine Probleme haben. Sie kennen diese Themen, von denen der Film handelt, diese falsche Moral und so weiter. Die Konservativen werden sich dagegen vielleicht ärgern und den Film boykottieren. Aber vielleicht sind auch sie stolz. Fatih hat ja gesagt, seinen Eltern hätte der Film gefallen. Und seine Eltern sind nicht anders als meine Eltern. Die haben schon Probleme, etwa mit allzu freizügigen Liebesszenen. Insgesamt meine ich, das ist eine große Leistung, für uns und für den deutschen Film. Jetzt müssen sich die Deutschen dazu bekennen. Die Filmindustrie, die Förderanstalten und die Presse müssen endlich begreifen, dass wir ein Teil dieser Gesellschaft sind.“
Neco Celik (32) ist Filmemacher und lebt in Kreuzberg
Idil Üner: „Wir sind überwältigt. Mit dem Goldenen Bären für Fatih hat keiner gerechnet, obwohl es vorher immer wieder hieß, der Film habe Chancen. Das wird sich positiv auswirken, sowohl was die Deutschen angeht, als auch die Türken in Deutschland.“
Idil Üner (33) ist Schauspielerin und Regisseurin
Cem Sey: „Mein erster Eindruck war: Das ist gut für uns Migranten. Mein zweiter Eindruck: Die Migrantenkultur wird immer noch als zweitklassig behandelt. Dabei ist schon seit Jahren klar, dass da eine Szene entstanden ist, die aus ihren eigenen Bedingungen heraus eine qualitativ hochwertige Kultur schafft. Und das mit einer Dynamik, die einfach verlangt, dass da mehr als bisher gefördert wird. Der Preis heißt: Da kommt etwas, nehmt das ernst!“
Cem Sey (41) ist Journalist
Sengül Boral: „Ich freue mich. Ich finde das ziemlich geil – für uns, die türkische Community. Das ist definitiv etwas Politisches: Ein Türke holt einen Preis für Deutschland. Bislang mussten die Türken sich ja fast rechtfertigen, und wurden in eine Nische geschoben. Vorher waren wir nur die Migranten-Schauspieler und -Filmemacher. Jetzt ist Fatih plötzlich ein deutscher Filmemacher. Es ist traurig, dass es nur so funktioniert. Aber so sind eben Industrie und die Köpfe der Menschen: Erst wenn international Anerkennung gezeigt wird, dann ist Deutschland bereit, das auch als deutschen Film zu sehen.“
Sengül Boral ist Sängerin und Rapperin
Cem Özdemir: Ich habe noch am Abend vor der Preisverleihung mit Fatih gesprochen und wir haben gerätselt, ob der Film wohl einen Preis bekommt. Dass ‚Gegen die Wand‘ den Goldenen Bären bekommen hat, hat mich wie alle Migranten gefreut. Das ist, wie schon Fatih gesagt hat, ein Preis, den dieses Land bekommt, ohne dass dieses Land das mitbekommt. Anders gesagt: Es ist auch ein Preis für all die, die etwas für dieses Land leisten, ohne dass sie dabei wahrgenommen werden.“
Cem Özdemir (38) ist grüner Kandidat fürs Europaparlament
Mushin Omurca: „Ich bin ausgeflippt, als ich das gehört habe. Lustig waren aber auch die Reaktionen der Deutschen. Vor der Entscheidung der Jury war das ein Gastarbeiterfilm, danach war es ein deutscher Film. Man kann es aber auch so sehen. 18 Jahre lang hat Deutschland keinen Goldenen Bären mehr bekommen. Jetzt haben wir das für sie erledigt. 30 Jahre Türken in Deutschland: Vom Döner bis zum Filmpreis, alles ist dabei.“
Mushin Omurca (45) ist „Kanakmän“ und leistet sich als Schwabe einen Blick von außen auf die Hauptstadt