: Wenigstens anspruchsvoll
■ Latin Quarter: Ein Comeback politmüder Musiker
Kann Musik die Welt verändern? Die inzwischen wiederbelebten Latin Quarter beantworten diese Frage jetzt mit „Nein“. Die Inbrunst vergangener „Radio-Africa“-Tage ist einer Art Post-Idealismus gewichen: Veränderung ist ein langer Prozeß, der nicht von heute auf morgen stattfindet und ein Zusammenspiel vielerlei Faktoren erfordert. Den Rücken haben Steve Skaith, Richard Wright und ihr Texter Mike Jones ihren alten Inhalten dennoch nicht zugekehrt. Die Einsicht, daß eine Revolution doch nicht über Nacht vonstatten geht, hat ja nicht zwangsläufig Zynismus zur Folge.
Von dem jahrelangen Ruf, eine sogenannte „Message-Band“ zu sein, distanziert man sich jedoch zunehmend. Eine Entwicklung, die zweifelsohne gerade aus den Texten ersichtlich wird. Die beinahe schattendasein-artige Texter-Existenz Mike Jones widmet sich derzeit lieber metaphorisch ausgeschmückten Zustandsbeschreibungen, die in seltenen Fällen sogar für seine eigenen Leute Rätsel bleiben.
Jones' Vorliebe für Pathos, der allerdings trotzdem auf dem Boden der Tatsachen bleiben will, ist das, was die Latin Quarter-“Lyrik“ letztlich von Betroffenheits-Poppern wie U2 unterscheiden kann.
Die folkloristisch anmutende Art, ihre Anliegen zu formulieren, beeinflußt in einem ähnlichen Maße die Musik der Engländer. Die Gruppe war ja, wie man weiß, noch nie bereit, sich den musikalischen Klischees der konzeptionell limitierten Rock-Musik zu unterwerfen. Dies ein wenig unbestimmte stilistische Konzept bewegt sich aber, genau wie schon zu früherer Zeit, immer in einem Rahmen, der zu einem annehmbaren Publikumserfolg in der Lage wäre. Dieser Tatsache zum Trotz, war nach dem Entschluß, die Band nun doch weiterzuführen, erstaunlicherweise kein Major-Label bereit, die neuen Stücke zu veröffentlichen. Letzt-endlich fand sich dann das Kölner Semi-Independent-Label Cloud Nine. Das Trio ist damit zufrieden, denn gerade die professionelle Stagnation war es, die Skaith, Wright und Jones seinerzeit dazu brachte, ihren vorübergehenden Rücktritt zu verkünden. Die derart relaxte Verfassung sieht inzwischen sogar darüber hinweg, wenn die Musik Tanzplattform bleibt: Wenigstens tanzt man anspruchsvoll. Jan Christoph Wolter
6.12., Markthalle
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