: Weniger Rechtsradikale, aber gefährlichere
■ Verfassungsschutzbericht: Zahl der Straftaten nahm ab / Keine Entwarnung
Trotz abnehmender Mitgliederzahlen bei den Rechtsparteien und eines Rückgangs fremdenfeindlicher Straftaten gibt es „keine Entwarnung“. Das betonte der Hamburger Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) gestern bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 1994. Sorgen bereiten Hamburgs Grundgesetzhütern vor allem die „Intellektualisierung zum Beispiel durch Burschenschaften an der Universität und die Benutzung moderner, schlecht kontrollierbarer Kommunikationsmittel“ in der rechten Szene.
Die Zahl amtlich registrierter „organisierter Rechter“ sank in Hamburg 1994 parallell zur Bundesentwicklung von 1400 auf 1300 Personen. Davon seien besonders Deutsche Volks-Union, Republikaner, NPD und die Hamburger Liste für Ausländerstopp betroffen gewesen, sagte Wrocklage. Während die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten von 397 (1993) auf 424 zunahm, sank der Anteil von „Straftaten mit fremdenfeindlichen Motiven“ dabei von 53 auf 37 Prozent. Als Haßobjekte kämen zunehmend der „politische Feind“, jüdische Einrichtungen oder sozial Schwache in Frage.
Die Verunsicherung von Mitgliedern der im Februar verbotenen Nationalen Liste hält nach den Worten des Hamburger Verfassungsschutzchefs Ernst Uhrlau noch an. Innerhalb der verbotenen Neonazi-Szene verständigten sich die Anhänger in Zukunft verstärkt über Infotelefone oder elektronische Mailboxen. Uhrlau sieht zudem „deutliche Ansätze für einen Rechtsterrorismus“ in der Bundesrepublik.
An „Linksextremisten“ wurden laut Uhrlau 410 militante Autonome gezählt, zehn mehr als 1993. Die Zahl linksextremistischer Gewalttaten habe von 48 im vorigen Jahr auf 28 abgenommen.
Auch in Schleswig-Holstein ist die Zahl rechtsextremistischer Gewalttaten zurückgegangen, doch die beiden Brandanschläge auf die Lübecker Synagoge zeigten, „daß der militante Antisemitismus nach wie vor virulent ist“. So der ebenfalls gestern in Kiel veröffentlichte Verfassungsschutzbericht 1994. Im vergangenen Jahr wurden 61 Gewalttaten (1993: 86) registriert. Die Mitgliederzahl rechtsextremistischer Organisationen ging von knapp 3000 (1993) auf etwa 1900 zurück. smv/lno
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