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Weniger Lohn im zweiten Arbeitsmarkt

■ Neue ABM- und BSHG-19-Stellen werden ab sofort zehn Prozent unter Tarif bezahlt

Während die Gespräche über eine Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich – „Solidarpakt“ genannt – im Öffentlichen Dienst in die Sackgasse geraten sind, steht für etwa 3.000 BremerInnen schon fest, daß sie in diesem Jahr rund zehn Prozent weniger in der Lohntüte haben werden als im vergangenen Jahr – und das bei unveränderter Arbeitszeit. Ursache dafür ist eine Vereinbarung im Koalitionsvertrag von SPD und CDU, für den „zweiten Arbeitsmarkt“ von gut 2.000 ABM-Stellen und den knapp 1.000 Beschäftigten im Programm „Arbeit für Sozialhilfe“ (BSHG-19-Stellen) einen eigenen, niedrigeren Tarifvertrag abzuschließen.

Auch ein Erlaß der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit legt fest, daß der Lohn für ABM-Kräfte „90 Prozent der Arbeitsentgelte für gleiche oder vergleichbare Tätigkeiten nicht übersteigen“ darf. Dieser Erlaß ist allerdings bereits seit Januar 1995 bundesweit in Kraft. In einer Sonderregelung hatte sich Bremen im vergangenen Jahr aber das Recht einräumen lassen, den zum Tariflohn fehlenden Betrag aus Landesmitteln zuzusteuern. Dies wäre selbst nach der Verschärfung der Nürnberger Vorschrift im Dezember 1995 auch weiterhin „theoretisch möglich“, meint Arnold Knigge, Staatsrat im Arbeitsressort. Ein niederigerer Tarif im zweiten Arbeitsmarkt liege jedoch „voll im allgemeinen Trend, niedrigere Eingangslöhne für Langzeitarbeitslose zu machen“.

Laufende ABM-Verträge sind von der neuen Regelung nicht betroffen, Verlängerungen werden ebenfalls voraussichtlich nach altem Recht genehmigt. Doch in jeder neuen Maßnahme, die jetzt begonnen wird, darf den ABM-Kräften nur noch 90 Prozent des Tariflohns gezahlt werden. „Vorsorglich weise ich darauf hin, daß das Land bei den im Jahre 1996 neu beginnenden ABM den Differenzbetrag zwischen dem förderungsfähigen Arbeitsentgelt (90 Prozent) und dem vollen tariflichen Entgelt (100 Prozent) nicht mehr erstatten wird“, heißt es denn auch in den Bescheiden, die das Arbeitsamt Bremen seit Beginn des Jahres an Antragsteller von ABM-Stellen verschickt. Darin wird zudem darauf hingewiesen, daß die Träger der ABM-Stellen die Differenz auch nicht aus eigenen Mitteln erstatten dürfen.

In den ABM-Projekten werden also demnächst Beschäftigte, die genau die gleiche Arbeit tun, unterschiedlich bezahlt werden. Für den Verband Bremer Beschäftigungsunternehmen (VBB) keine angenehme Aussicht. „Das wird sicher zu Unmut führen“, ahnt Uwe Langer, Geschäftsführer der Bremer Arbeitslosenselbsthilfe, einem der größten ABM-Träger. Staatsrat Knigge hält diesen Zustand jedoch nicht für besonders ungewöhnlich: „Immer wenn eine neue Tarifstruktur vereinbart wird, bestehen für eine gewissen Übergangszeit verschiedene vertragliche Verhältnisse nebeneinander.“

Um zumindest etwas Klarheit in die „wirre Lage“ (Langer) zu bringen, führt der VBB selber seit vergangener Woche mit der ÖTV Verhandlungen über einen eigenen Tarifvertrag für ABM-Stellen. Damit soll versucht werden, zumindest das monatliche Nettogehalt durch die Umlage von Weihnachts- und Urlaubsgeld in gleicher Höhe zu halten wie bei den Beschäftigten, die 100 Prozent des normalen Tariflohns erhalten. Die Verhandlungen kommen jedoch nicht recht voran, „das ist eben ein ungewohntes Feld für alle Beteiligten“, sagt Langer. Auch für die ÖTV ist die Verhandlung mit den Beschäftigungs-Trägern, die ja über keine eigenen Gelder verfügen, tarifpolitisches Neuland. Und unter den zumeist langzeitarbeitslosen ABM-Kräften hat die Gewerkschaft kaum Mitglieder. Staatsrat Knigge hat trotzdem „die berechtigte Erwartung, daß wir das innerhalb des nächsten Monats hinkriegen“.

Ase

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