: Wenig spritzig
■ Nach scharfer Kritik: Justizsenator Kusch fühlt sich unverstanden
Roger Kusch (CDU) ist gekränkt. Die „gereizten“ Reaktionen auf die Abschaffung des Spritzentausches im Knast, den er am Montag im Gefängnis Neuengamme eigenhändig beendet hat, kann der Justizsenator nicht verstehen. Ihm sei Desinteresse an Gesundheitsförderung unterstellt und die Ausbreitung von Epidemien hinter Gittern prophezeit worden, beschwerte er sich. Dass die Ausgabe steriler Spritzen eingestellt worden sei, bedeute dabei schlicht, dass das Betäubungsmittelgesetz auch hinter Mauern gelte, sagte Kusch gestern bei der Präsentation seiner persönlichen 100-Tage-Bilanz.
Die war äußerst positiv. Insbesondere selbst lobte der Justizsenator, den „Stillstand in der Personalpolitik“ der Gerichte beseitigt zu haben, indem sein Senat diese entschuldete und damit Neueinstellungen ermöglichte. Handlungsfähigkeit habe seine Behörde auch bei der schnellen Neuplanung für das Gefängnis in Billwerder bewiesen: Während der alte rot-grüne „ideologisch geprägte“ Senat zu viele Plätze im offenen und zu wenig im geschlossenen Strafvollzug eingerichtet habe, sei seine Behörde mit der Umgestaltung der Billwerder-Pläne im vollen Gang. Allerdings hatte der alte Senat das Gefängnis als offene Anstalt geplant, weil dorthin die zurzeit in der offenen Anstalt Neuengamme einsitzenden Insassen verlegt werden sollen. Die kommen jetzt offenbar trotzdem nach Billwerder – in den geschlossenen Vollzug. Aber dass sie dann dort einsitzen, heiße laut Kusch „ja nicht, dass damit alle Lockerungen beendet werden“.
Der Justizsenator verblüffte mit der Aussage, die Gerichte in Hamburg hätten „zu Recht einen guten Ruf“. Der jetzige Innenseantor Ronald Schill (Schill-Partei) hatte im Wahlkampf noch ganz andere Töne angeschlagen. Im Dissens aber befänden sich die beiden Senatskollegen nicht, sagte Kusch: Den Gerichten gute Arbeit zu bescheinigen, widerspreche sich nicht damit, mit einzelnen Urteilen nicht einverstanden zu sein, Im Übrigen habe man im Wahlkampf eine andere Funktion als zu Regierungszeiten. „Auch ich habe mich da anders geäußert.“ Damals hatte er zum Beispiel „rechtsfreie Räume“ in der Hansestadt nur angeprangert. Doch solche, sagt er jetzt, „würden und werden nicht geduldet“ .
Elke Spanner
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen