: Wen interessiert Mielke?
■ Anwälte im Prozeß sorgen für mehr Aufsehen als der Angeklagte
Berlin (taz) — In der vergangenen Woche hatte Hubert Dreyling, Pflichtverteidiger im Mielke-Prozeß, seinen Kollegen Stefan König noch heftig beschimpft. Der habe sich das Mandat erschlichen und komme aus einer zweifelhaften Kanzlei, erzählte Dreyling jedem, der es hören wollte. Während der gestrigen Verhandlung war er plötzlich wie verwandelt: In einer „persönlichen Ehrenerklärung“ betonte der Verteidiger, er halte „König für einen seriösen Anwalt, den ich respektiere“. Seine Äußerungen über den zweiten Mielke- Wahlverteidiger, Gerd Graubner, nahm Dreyling aber nicht zurück. Über seinen Ostberliner Kollegen hatte Dreyling gegenüber der taz verbreitet, daß der „auch bald dran“ sei, weil „unsere Ermittlungsbehörden ja ganz fleißig sind“. Mit „auch bald dran“ spielte er auf den Ex-Mielke-Verteidiger Wetzenstein-Ollenschläger an, nach dem die Justizbehörden fahnden.
Das Gerangel unter Mielkes Anwälten geht also weiter, aber Hubert Dreyling — der Mann, der Mielke zum Sprechen bringen wollte — nimmt seinen Mund nicht mehr so voll. Auf den Gerichtsfluren munkelt man, seine plötzliche Zurückhaltung könne damit zu tun haben, daß der Westberliner Anwalt Angst davor habe, dem Prozeß demnächst nur noch als Beobachter beizuwohnen. „Ich bleibe so lange Mielkes Anwalt, solange der das will!“, hatte er der taz vor ein paar Tagen noch gesagt. Der Tag, an dem Mielke das nicht mehr will, ist offenbar näher, als sich Dreyling das gedacht hat. Von einer gemeinsamen Strategie der drei Verteidiger kann nach wie vor keine Rede sein.
Auf der gestrigen Verhandlung hat Stefan König verlangt, daß die Vernehmungsprotokolle aus der Zeit des Naziregimes in dem Verfahren nicht verlesen werden sollen. König erklärte, daß diese Protokolle nur unter „Verletzung strafprozessualer Grundsätze“ zustande gekommen seien. Sämtliche Vernehmungen aus der Zeit nach 1933 seien unverwertbar, sagte König. Die meisten der 15 Angeklagten hätten bereits im Ermittlungsverfahren keinen juristischen Beistand gehabt, vor allem deshalb, weil nach einem Gesetz zur Rechtsanwaltschaft vom 7. April 1933 vielen Anwälten „bei kommunistischer Betätigung“ die Zulassung entzogen worden sei. Darunter verstanden die damaligen Machthaber bereits die Verteidigung von Kommunisten. Der Vorsitzende Richter Seidel hörte dies, schaute auf die Uhr und schloß die Sitzung nach 20 Minuten. Claus Christian Malzahn
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen