: Wem nützt Hilfe für Kenia?
■ Kenias Rechnungsprüfer rügen: Umgerechnet 390 Millionen Mark spurlos aus Kenias Zentralbank zugunsten "unidentifizierter Nutznießer" verschwunden
Berlin (taz) – Ein neuer Finanzskandal droht das Image Kenias zwei Monate vor einer neuen Konferenz des „Pariser Klubs“ der Geberländer erneut zu verschlechtern. 14,7 Milliarden kenianische Schilling, umgerechnet 250 Millionen US-Dollar oder 390 Millionen Mark, sind nach einem Bericht des amtlichen Rechnungsprüfers aus Kenias Zentralbank verschwunden. Wie es in dem Bericht heißt, wurden die Gelder zwischen April und Juli 1993 an „unidentifizierte Nutznießer“ gezahlt, „für unbekannte Güter und Dienstleistungen“. Rechnungsprüfer D.G. Njoroge kritisierte, man habe ihm Dokumente vorenthalten, aus denen die Identität der Empfänger hervorgehen könnte. Die veruntreute Summe entspricht etwa 4 Prozent des kenianischen Bruttosozialproduktes von 1993 und etwa 30 Prozent der im selben Jahr insgesamt empfangenen Entwicklungshilfe. Offensichtlich hat hier also ein gehöriger Posten Hilfe jemandem geholfen – wenn auch nicht entsprechend den Vorstellungen der Geber. Die Summe übersteigt die der bisher größten kenianischen Korruptionsaffäre – dem sogenannten „Goldenberg-Skandal“, in dem es um die Zahlung von staatlichen Kompensationsgeldern in Höhe von 13 Milliarden Schilling an kenianische Exporteure für vermutlich nur auf dem Papier erfolgte Ausfuhren ging.
Erst Ende Juli hatte eine Kenia- Geberkonferenz der Weltbank in Paris weitere Finanzhilfen für das ostafrikanische Land von wirtschaftlichen und politischen Reformen abhängig gemacht. Nach dem Treffen hatte sich die Regierung von Präsident Daniel arap Moi ein wenig einsichtig gezeigt und unter anderem ihre Pläne für einen allgemein kritisierten dritten kenianischen Großflughafen im Städtchen Eldoret zurückgestuft. Der jetzt veröffentlichte Rechnungsprüferbericht war vor einem Jahr von Finanzminister Musadia Mudavadi angefordert, aber offensichtlich bis jetzt unter Verschluß gehalten worden. Neben den verschwundenen Millionen führt er den Umstand aus, daß aus den Unterlagen der Zentralbank die Höhe der Steuereinnahmen in Kenia nicht hervorgeht, weil einige Kommunalbehörden bis zu 26 Jahre keine entsprechenden Zahlen vorgelegt haben. Daraus läßt sich nicht nur schließen, daß Steuergelder unerkannt verschwinden, sondern auch, daß die von den Geldgebern verlangten genauen Haushaltspläne der Regierung Kenias Makulatur sind.
Eine Parlamentsdebatte über den Bericht, die unerwünschte Öffentlichkeit schaffen könnte, soll erst im Januar 1996 stattfinden – nach der nächsten Geberkonferenz. Bekannt wurde der neue Korruptionsskandal kurz nachdem die Oppositionspartei „Safina“ in einem Brief an die Weltbank mehr Druck auf Kenias Regierung gefordert hatte – und wenige Tage vor dem jährlichen „Moi-Tag“ zur Feier des kenianischen Präsidenten, der am Dienstag wie gewohnt mit ausführlichen Lobeshymnen der Medien begangen wurde. Der Präsident verkündete zu diesem Anlaß eine Amnestie für 10.898 Häftlinge, zumeist Kleinkriminelle, womit die Überbelegung der kenianischen Gefängnisse ein wenig schrumpft – bisher saßen 37.000 Gefangene auf 21.000 Plätzen. Eine erhoffte politische Initiative blieb aus: Der inhaftierte Oppositionsführer Koigi wa Wamwere wurde nicht begnadigt, sondern die Regierung kündigte Berufung gegen die laut Anklage „zu niedrige“ Strafe an. Koigi war letzte Woche wegen der angeblichen Beteiligung an einem bewaffneten Raubüberfall zu vier Jahren Haft verurteilt worden, obwohl eines seiner angeblichen Opfer schon Wochen vor der angeblichen Tat tot war.
An seinem Feiertag äußerte Moi auch scharfe Kritik an dem „unter Druck“ eingeführten Mehrparteiensystem in Kenia, welches „das Volk gespalten“ habe. „Demokratie hat Menschen in Ruanda ausgelöscht“, behauptete der Präsident. „Und sie wird noch andere auslöschen.“ D.J.
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