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Weltumsegelungsregatta Vendée GlobeTrawler fischt Herrmann vom Podest

Kurz vor dem Zieleinlauf stieß der deutsche Segler Boris Herrmann mit einem Fischkutter zusammen. Das bringt ihn um einen Podiumsplatz.

Gesamtsieger Yannick Bestaven freut sich in der Nacht auf Donnerstag über seinen Sieg Foto: Yohan Bonnet/ap

Berlin taz | Was für ein Drama. 90 Seemeilen vor dem Ziel ist gegen 20.30 Uhr am Mittwochabend der deutsche Profisegler Boris Herrmann vor der französischen Küste mit einem Fischtrawler kollidiert. Herrmann lag zu der Zeit bei der Solo-Weltumsegelungsregatta Vendée Globe auf Rang drei und hatte durch eine Zeitgutschrift sogar noch die Chance auf den Sieg, zumindest auf Rang zwei.

Der 39-jährige Hamburger wurde bei dem Zusammenstoß zum Glück nicht verletzt, auch auf dem Fischerboot kam offenbar niemand zu Schaden. Doch Herrmanns Yacht „Seaexplorer“ wurde beschädigt.

Eine Tragfläche brach, ebenso der Bugspriet und ein Want zur Stabilisierung des Mastes, ein großes Vorsegel zerriss. Es dringt aber kein Wasser in den Rumpf, der Mast blieb stehen und so kann Herrmann mit verminderter Geschwindigkeit das Rennen noch beenden. Er muss jedoch die Hoffnung auf einen Podiumsplatz begraben. Im Ziel in Les Sables-d'Olonne wird er gegen 11 Uhr am Donnerstagvormittag erwartet und dürfte damit Platz fünf oder sechs erreichen.

Wie Herrmann später in einem Video von Bord berichtete, habe er zum Zeitpunkt der Kollision im Cockpit geschlafen. Plötzlich habe er eine riesige Wand neben sich gesehen, der Outrigger seines Bootes sei mehrfach gegen den Trawler geknallt und sein Vorsegel habe sich in dessen Aufbauten verfangen. Doch dann konnte er an dem Fischerboot vorbeikommen und weiterfahren. „Das war ein Schock“, sagte er.

Herrmann: Alarmsysteme haben nicht reagiert

Die Kollision kann er sich nicht erklären. Vor der französischen Küste herrscht reger Schiffsverkehr, und seine diversen elektronischen Alarmsysteme hätten bis dahin gut funktioniert. Doch in diesem Fall hätten sie nicht Alarm geschlagen. Womöglich hätte auch der Fischer sein elektronisches Identifikationssystem ausgeschaltet gehabt.

Unklar ließ Herrmann zunächst, wer in dem Fall seiner Meinung nach Vorfahrt gehabt hatte. Auf See muss ein motorgetriebenes Schiff einem Segler ausweichen, doch wenn ein Trawler fischt, muss sich das Segelboot freihalten.

„Das ist sicher der schlimmste Albtraum, der mir je passiert ist“, sagte Herrmann. Doch er werde das Rennen beenden können. Der Hamburger ist der erste Deutsche, der an der Soloregatta „Vendée Globe“ um die Welt teilnimmt. Die alle vier Jahre stattfindende Regatta, bei der bisher nur Franzosen gewonnen haben, gilt als das härteste Segelrennen der Welt.

Yannick Bestaven gewinnt mit Zeitgutschrift

Herrmann hat sich durch seine täglichen Videoberichte von Bord, in denen er sehr sympathisch über seine Höhen und Tiefen im Umgang mit den Strapazen des Rennens berichtete, eine große Fangemeinde aufgebaut. Zuvor war er bereits dadurch bekannt geworden, dass er die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg über den Atlantik chauffiert hat.

Die TV-Liverübertragung des NDR von Herrmanns geplantem Zieldurchgang verfolgten 650.000 Zuschauer. Kommentator Tim Kröger, Trainer des geplanten deutschen Hochseesegelkaders, rang mehrfach um Fassung, als er von Herrmanns Kollision hörte.

Zeitgleich mit Herrmanns Zusammenstoß ging als Erster der Franzose Charlie Dalin nach 80 Tagen, 6 Stunden, 15 Minuten und 47 Sekunden bei dieser neunten Auflage der Vendée Globe durchs Ziel. Es war die erste Teilnahme des Bretonen an diesem legendären Rennen, das in Frankreich zu den Top-3-Sportevents zählt. Gleichwohl zählte der Bootsbauingenieur Dalin von vornherein zu den Favoriten, da er mit einem der modernsten Boote antrat und schon mehrere wichtige Hochseeregatten gewonnen hatte.

Dalin blieb allerdings nicht Sieger. Gewinner des Rennens wurde der Franzose Yannick Bestaven, der am Donnerstagmorgen um 3.20 Uhr als Dritter die Ziellienie kreuzte. Weil Bestaven sich an der Rettungsaktion für seinen Landsmann Kevin Escoffier beteiligt hatte, dessen Boot im Südatlantik gesunken war, bekam er eine Zeitgutschrift von 10 Stunden und 15 Minuten. So schob er sich nach berechneter Zeit im Ziel noch um 2 Stunden und 31 Minuten vor Dalin.

Das Feld der Vendée Globe, zu der im November 33 Skipper angetreten waren, hatte noch nie so eng beisammen gelegen. Dalin und Bestaven hatten oft geführt. Bestaven hatte bei der Rückfahrt im Südatlantik sogar einen Vorsprung von 440 Seemeilen herausgesegelt, doch dann blieb er in einer Flautenzone hängen und wurde nach hinten durchgereicht.

In seinen Videos von Bord machte der 48-Jährige aus seinem Frust keinen Hehl. Doch er berappelte sich trotz diverser Schäden an seinen Segeln, die ihn bei weniger Wind chancenlos machten. So entschied er sich auf den letzten paar hundert Meilen vor dem Ziel für einen riskanten Umweg nach Nordwesten in eine Starkwindzone. Von dort aus konnte mit großer Geschwindigkeit den Vorsprung der führenden Boote stark verringern und mit der Zeitgutschrift gewinnen.

Auch Boris Herrmann hatte für seine Teilnahme an der Rettungsaktion eine Gutschrift bekommen, aber nur von sechs Stunden. Und er hatte für die Zielgerade einen südöstlichen Kurs gewählt, wo die Windverhältnisse schwieriger waren. Jetzt ist er froh, dass er trotz Kollision das Ziel überhaupt noch erreichen kann.

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7 Kommentare

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  • „Absoluter Hightech“ ist also immer schlecht?



    Die Erkenntnisse aus dem HighEnd-Bau von Rennbooten kommt auch dem normalen Boots- und Schiffsbau zu Gute und machst sie leichter und ökonomischer und somit auch ökologischer.



    Trifft theoretisch auch auf die Formel 1 zu, wenn die Autofirmen ihre Fahrzeuge nicht immer größer und stärker bauen würden.



    Auch wenn Regatten elitäre und sehr teure Sportarten sind, kann man sie ja durchaus als umweltfreundlich betrachten.



    Die Teilnehmerzahl ist überschaubar und der Sport zieht auch nicht Hunderttausende von Zuschauern an, die zum Wettbewerb anreisen.



    Ansonsten - Ihr ganze Leben ist unökologisch.

    • @Stefan L.:

      Ich erinnere mich da an eine Diskussion, als Gretas Reise nach New York geplant wurde.



      Da ging es darum, dass, wie beim Schizirkus auch, verschiedene Veranstaltungen an verschiedenen Orten der Welt innerhalb kurzer Zeit aufgesucht werden müssen, was bedeutet, Leute und Material werden ganz oft eingeflogen.



      Die Boote werden womöglich von Dienstleistungsteams da hin geschippert, der Tross aber reist extra und keineswegs umweltfreundlich hinterher.

  • Bei allem Respekt für die extreme Leistung,

    diesen "Sport" als Werbung für Klimaschutz zu verkaufen und es damit auch in die TAZ zu schaffen, die die Formel 1 zu Recht tot schweigt, ist gelinde gesagt, etwas widersprüchlich. Absolutes Hightech. Da nützt es auch nichts irgendwo einen Baum zu pflanzen.

    • @fly:

      es stellt sich doch nicht die Frage, ob dies Regatta was fürs Klima tut.



      Diese Art von Bootsbau ist ein Technologietreiber (Leichtbau, Strömungswiderstand, ......). Ach du provitierst davon.



      z.B. wenn Du mit deinem Carbon Crosser ins Büro fährst

    • @fly:

      Was haben Sie gegen Hochtechnologie?

    • @fly:

      Da liegt ein Missverständniss vor:



      Niemand möchte den Segelsport mit High-Tech Rennbooten "als Klimaschutz" verkaufen.



      Boris Herrmann und das Team um die Rennyacht "Malizia 2" werben dafür, den menschengemachten Klimawandel verdammt noch mal Ernst zu nehmen.



      Boris Herrman hat in vielen Vorträgen ausgeführt, wie sich dieses Engagement entwickelt hat.



      www.youtube.com/watch?v=en9JTof-CGI



      Sie heben das Thema damit in eine wichtige Ebene der populären Wahrnehmung.



      Er legt damit Vorlagen, die andere Akteure aufgreifen und "weiterspielen" können. Und hoffentlich werden.

    • @fly:

      Das ist Sport, und eine große Herausforderung für alle Beteiligten. Die Segler haben starke körperliche und psychische Belastungen überstanden. Und was ist schlecht an sinnvollem Hightech? Diese Boote sind moderne Sportgeräte, hier werden Innovationen getestet.