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■ Lyon: G 7 verlieren ihre ökonomische HandlungsfähigkeitWeltshowgipfel

Daß die sieben mächtigsten Industrieländer ihre jährlichen Treffen immer noch Weltwirtschaftsgipfel nennen, erscheint von Mal zu Mal obsoleter. Ein Maßnahmenkatalog gegen den internationalen Terrorismus und insbesondere die durch Sanktionsdrohungen unterlegte Forderung nach dem Rücktritt von Serbenführer Karadžić waren die einzigen halbwegs konkreten Ergebnisse des Lyoner Gipfels.

Die wirtschaftlichen Probleme sehen dabei durchaus auch die G-7-Chefs: Arbeitslosigkeit, wachsende Armut, die Kluft zwischen Nord und Süd und nicht zuletzt die Umwelt haben sie selbst benannt. Aber gemeinsame Initiativen zur Problemlösung? Ein paar Bekenntnisse zu verstärkter Zusammenarbeit, das ist alles. Die Zusammenarbeit der G-7-Staaten ist längst zur Nichtarbeit mutiert. Das Fazit des Gipfels lautet: „Weiter so“ – weitere Liberalisierung des Welthandels, weiter sparen und weiter so prima wie bisher mit den Ländern des Südens zusammenarbeiten. Jetzt muß jeder selbst sehen, wie er seine Volkswirtschaft an den immer härteren globalen Wettbewerb anpaßt, auch wenn sich so die Arbeitslosigkeit zunächst verschlimmert, wie es im Wirtschaftskommuniqué steht.

Ihre Handlungsfähigkeit haben die G 7 angesichts der Globalisierung der Märkte aufgegeben. Mantraartig werden die neoliberalen Glaubensbekenntnisse über die Segnungen des grenzenlosen Kapitalismus wiederholt, als hülfen schon diese Beschwörungen gegen dessen (durchaus erkannte) negative Auswirkungen. Noch glauben die großen Industriestaaten, daß sie mehr Vor- als Nachteile vom Freihandel haben. Wie sonst ist zu erklären, daß sie selbst relativ simple Maßnahmen – etwa über Umwelt- und Sozialklauseln im Welthandel – nicht gemeinsam angehen wollen. Statt dessen heißt die Devise: Jeder spart für sich allein. Denn der Spielraum für aktive Politik ist in dem Maße verlorengegangen, wie die Löcher in den öffentlichen Haushalten gewachsen sind.

Der Showaufwand für den Gipfel wächst dabei umgekehrt proportional zur Entscheidungskraft. Je weniger den sieben Herren noch einfällt, desto mehr erheben sie die Selbstdarstellung zum einzig noch verbleibenden Sinn des Weltwirtschaftsgipfels. Doch dafür 20 Millionen Mark ausgeben? Nicola Liebert

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