Weltgrößter Freihandelspakt RCEP: China breitet sich aus
Peking beschließt einen Pakt mit den großen Wirtschaftsnationen der Asien-Pazifik-Region. Die Gemeinschaft will bald auch Europa überholen.
Das Abkommen verringert Zölle, legt einheitliche Regeln fest und erleichtert damit Lieferketten. Es umfasst Handel, Dienstleistungen, Investitionen, Online-Handel, Telekommunikation und Urheberrechte. Neben China und den zehn Asean-Staaten Vietnam, Singapur, Indonesien, Malaysia, Thailand, Philippinen, Myanmar, Brunei, Laos und Kambodscha beteiligen sich auch große Volkswirtschaften und US-Bündnispartner wie Japan, Australien, Südkorea sowie Neuseeland. RCEP steht für „Regional Comprehensive Economic Partnership“.
Gerade vor dem Hintergrund des laufenden Handelskrieges mit den USA ist der Freihandelspakt ein großer Erfolg für die kommunistische Führung in Peking. Das Abkommen wird nach Ansicht von Experten die wirtschaftliche Integration in der Asien-Pazifik-Region voranbringen und protektionistischen Tendenzen entgegenwirken. Die RCEP-Staaten standen vor der Corona-Krise für 29 Prozent des weltweiten Handelsvolumens – etwas weniger als die EU mit 33 Prozent. Der Anteil der RCEP-Gemeinschaft dürfte jetzt steigen, wie Experten erwarten.
„RCEP wird die wirtschaftliche und strategische Landkarte des Indo-Pazifiks neu zeichnen“, sagte Jeffrey Wilson vom Australischen Strategischen Politik-Institut (ASPI). Der Pakt kann auch als Absage an die von US-Präsident Donald Trump verfolgte „Entkopplung“ von China gewertet werden. Zwar gibt es in der Region auch Besorgnis über eine zu große Abhängigkeit von China, doch setzen die RCEP-Mitglieder ihre Hoffnung auf die Kooperation mit der zweitgrößten Volkswirtschaft, die den Corona-Einbruch bereits überwunden hat.
Erholung und Wachstum
Der Freihandelspakt wird nach Ansicht von Chinas Regierungschef Li Keqiang zu „Erholung und Wachstum der Weltwirtschaft“ beitragen. Er sei nicht nur eine „monumentale Errungenschaft“ für die regionale Integration, sondern auch „ein Sieg für Multilateralismus und freien Handel“. Nach einer Studie des US-Wirtschaftsinstituts Peterson wird China bis 2030 mit 85 Milliarden US-Dollar von dem Abkommen profitieren – Japan mit 48 Milliarden und Südkorea mit 23 Milliarden. Die RCEP-Staaten gewinnen demnach je rund 0,2 Prozentpunkte Wachstum.
Der Einigung waren 31 Verhandlungsrunden und 18 Ministertreffen vorausgegangen. Sechs Mal waren selbst auferlegte Fristen nicht eingehalten worden. Am Ende hing das Abkommen an Indien, das sich nicht weiter öffnen wollte. Indem sich Neu Delhi aber Ende 2019 aus den Verhandlungen zurückgezogen hatte, war der Weg frei.
Mit dem Bündnis bildet sich neben der Gemeinschaft des anderen asiatisch-pazifischen Freihandelsabkommens, der CPTPP abgekürzten „Umfassenden und fortschrittlichen Vereinbarung für eine Trans-Pazifische Partnerschaft“, eine weitere Freihandelszone. CPTPP repräsentiert aber nur 13 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Es ist von dem ehrgeizigeren Vorgänger einer Transpazifischen Partnerschaft (TPP) übrig geblieben, von dem sich US-Präsident Trump sofort nach dem Amtsantritt 2017 zurückgezogen hatte.
Trump nicht dabei
Obwohl die Asean-Gespräche nur virtuell geführt wurden, nahm Trump auch das dritte Jahr in Folge nicht an dem Gipfel teil. So haben die USA unter ihm in der Region an Gewicht verloren, während China mit dem neuen Freihandelspakt seinen Einfluss noch ausweiten kann. RCEP ist weitreichender als CPTPP, geht allerdings nicht so tief und beinhaltet auch keine Arbeiter- und Umweltrechte. CPTPP umfasst 480 Millionen Menschen in Australien, Brunei, Kanada, Chile, Japan, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur und Vietnam.
Ob sich die USA unter dem neuen Präsidenten Joe Biden wieder der trans-pazifischen Partnerschaft anschließen werden, muss sich zeigen. Experten wiesen darauf hin, dass beide Freihandelspakte nicht in Konkurrenz zueinander stehen und sich eine Mitgliedschaft nicht gegenseitig ausschließt. Vielmehr funktioniert das neue RCEP-Abkommen mit China ergänzend. So gehören Japan, Vietnam, Singapur, Brunei, Malaysia, Australien und Neuseeland beiden Bündnissen an.
Der neue Freihandelspakt bedeutet auch nicht, dass alle Probleme zwischen den Handelspartnern beseitigt wären oder einzelne Länder nicht ihre Abhängigkeiten von China abbauen wollen. So überprüft Japan gerade seine Lieferketten in China. Auch gibt es Konflikte zwischen Australien und China, weil Peking wegen politischer Spannungen mit Canberra einfach Importe aus Australien beschränkt. So gibt es Sorgen, dass China seinen gewonnenen wirtschaftlichen Einfluss auch politisch als Druckmittel nutzen könnte.
Ausgerechnet das derart drangsalierte Australien hofft jetzt aber darauf, dass sich China durch eine bessere multilaterale Einbindung stärker an Regeln hält. „Es ist ein hoch symbolisches Abkommen in einer Zeit von Ungewissheit für den globalen Handel“, sagte Australiens Handelsminister Simon Birmingham der Zeitung „Sun-Herald“. „Es ist entscheidend, dass Partner wie China, wenn sie sich solchen Abkommen anschließen, nicht nur dem Wortlaut der Vereinbarung folgen, sondern auch ihrem Geiste treu bleiben.“
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