: Weizsäcker in Treblinka
■ Der Bundespräsident legte zusammen mit Polens Staatschef Jaruzelski Blumen vor dem Gedenkmonument nieder
Warschau (dpa) - „Todesweg zur Gaskammer“ verkünden Metallbuchstaben in polnischer Sprache auf einem flachen Gedenkstein, den Richard von Weizsäcker passierte, als er am Donnerstag die Gedenkstätte für das ehemalige NS -Vernichtungslager Treblinka, 90 Kilometer nordöstlich von Warschau, besuchte. An dieser Stelle, die besonders augenfällig die schweren Belastungen der deutsch-polnischen Vergangenheit symbolisiert, hatten sich in der Mittagssonne Hunderte von Einwohnern aus der Umgebung eingefunden, um den Auftritt der beiden Präsidenten - Weizsäcker in Begleitung des polnischen Staatschefs Jaruzelski - zu verfolgen.
Auf dem Gelände, einem kiefernbestandenen Heidegebiet, wo im Zweiten Weltkrieg täglich bis zu 15.000 Menschen, vor allem Juden aus Polen, mit den Auspuffgasen erbeuteter russischer Panzermotoren erstickt und auf riesigen offenen Rosten verbrannt wurden, steht seit Anfang der sechziger Jahre ein neun Meter hohes massives Monument aus Granitquadern, das an den Aufstand von 600 Häftlingen am 2. August 1943 erinnert. Im Umkreis stehen dicht gedrängt auf drei großen Ebenen rund 20.000 grob behauene Stelen unterschiedlicher Größe aus Basalt, Granit und Feuerstein, die an alte jüdische Friedhöfe erinnern und die Namen von Orten tragen, aus denen die Ermordeten kamen.
Weizsäcker legte ein Angebinde mit roten und gelben, Jaruzelski einen Strauß mit weißen und roten Blumen nieder. Dann verharrten beide eine Minute im Gedenken. Zahlreiche Pressevertreter umringten die beiden Präsidenten und erschwerten zeitweise ihr Weiterkommen.
Auf dem Weg zum Gästebuch, in das sich der Bundespräsident eintrug, sprach er mit einem deutschen Juden, Sigmund Nissenbaum, der beinahe seine ganze Familie in deutschen Vernichtungslagern verloren hat. Nissenbaum, der sich um die Ausgestaltung und Erhaltung von Gedenkstätten an die Verfolgung der Juden bemüht, schlug dem Bundespräsidenten vor, eine deutsche Gedenkstätte in Treblinka einzurichten. Dort werden schon heute jährlich rund 200.000 Besucher aus aller Welt gezählt.
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