: Weiße Tauben in Athen?
■ Gestern traf der türkische Ministerpräsident Özal zu seinem ersten Besuch beim griechischen Premier Papandreou in Athen ein / Stolpert die Annäherung über den Zypern-Konflikt?
Weiße Tauben in Athen?
Gestern traf der türkische Ministerpräsident Özal zu seinem ersten Besuch beim griechischen Premier Papandreou in Athen ein / Stolpert die Annäherung über den Zypern-Konflikt?
Von Klaus Hillenbrand
Berlin (taz) - 36 Jahre liegt der letzte Besuch eines türkischen Premiers in der griechischen Hauptstadt Athen zurück. Nach drei Jahrzehnten zwischen Feindschaft und Distanz der beiden Nachbarstaaten traf der türkische Regierungschef Özal gestern in Athen ein - Grund genug, um diesen Besuch „historisch“ zu nennen. Der „Frühling von Davos“, benannt nach dem Ort des ersten Treffens von Özal und Papandreou in der Schweiz, steht vor einer schweren Bewährungsprobe. Denn diesmal geht es bei den Gesprächen der Regierungschefs nicht nur, um bilaterale Probleme, sondern auch um denZypern-Konflikt.
30 zypriotische Frauen blockierten gestern medienwirksam die Akropolis. „Demokratie, Freiheit und Frieden“ forderten die griechischen Zypriotinnen - will heißen: Türkische Truppen raus aus Zypern. Die seit 14 Jahren andauernde Besetzung des Nordteils Zyperns ist neben dem Konflikt um die Hoheitsrechte in der Ägäis der zentrale Konfliktpunkt zwischen den beiden NATO-Partnern. Auf der unabhängigen Insel manifestiert sich für die Griechen die Furcht vor der „Expansionspolitik“ der Türkei; die Türkei sieht hier den anti-türkischen „Rassismus“ der Griechen bestätigt. Für die Türkei ist die Besetzung des Nordteils Zyperns vor 14 Jahren eine „Friedensaktion“, während die Griechen sie als Beweis für mögliche Angriffe gegen griechische Inseln in der Ägäis betrachten. Angesichts der diametral entgegengesetzten Politik der beiden Staaten - hier Forderung nach Abzug der türkischen Truppen, dort der Versuch der Gründung eines zyperntürkischen Seperatstaates - erscheint eine Lösung so gut wie ausgeschlossen. Eine weitere Verbesserung der Beziehungen zwischen Griechenland und der Türkei ist aber ganz offensichtlich von einer Annährung in der Zypern-Frage abhängig. Dabei kann sich Papandreou angesichts des öffentlichen Drucks in Athen und von den Zyperngriechen keinen faulen Kompromiß leisten. Özal steht in dieser Frage unter dem Druck seiner Militärs, die die strategisch wichtige Lage Zyperns nicht aufgeben wollen. Geht die „Nagelprobe von Davos“ in diesen Tagen in Athen aber schief, steht der ganze türkisch-griechische Frühling auf dem Spiel.
Auch im Ägäis-Konflikt steht eine Annährung der Positionen noch in den Sternen. Griechenland beharrt darauf, daß der Festlandssockel um die Inseln ebenso griechisch wie die Inseln selbst ist. Die Ölbohrrechte, die Nutzung des Luftraums, die Abgrenzung von Manövergebieten, unterschiedliche Auffassungen bei der Frage der Demilitarisierung einiger griechischer Inseln: ein Berg von Problemen ist bisher völlig ungelöst. Angesichts dieser Altlasten erscheinen die bisherigen Fortschritte in den Beziehungen zwischen Griechenland und der Türkei recht mickrig.
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