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Weiße Entlastungsphantasie

■ betr.: „Identätärä auf allen Kanä len“, taz vom 18. 4. 96

In der taz vom 18. 4. wurde mein Artikel über kollektive Identitäten in der Frauenbewegung zu meinem Entsetzen mit einem Foto aus einer Benetton-Werbekampagne illustriert: Es zeigt eine Gruppe schwarzer Leute in scheinbar traditioneller Kleidung oder hier besser Nichtbekleidung, deren Blicke auf eine junge Frau, offensichtlich eine Albina, im Vordergrund gerichtet sind.

Die Brücke zum Text konstruiert die Bildunterschrift: „Benetton wirbt mit unklaren Identitäten. Ist sie eine schwarze Frau, ist sie eine weiße Frau?“ Dieser Bildkommentar führt vollkommen in die Irre: Erstens plädiere ich nicht für klare Identitäten. Zweitens geht es in dem Bild, wenn überhaupt, dann nur sehr vermittelt um Identität. Es ist vielmehr ein geschicktes, in einer überwiegend weiß dominierten Umgebung absolut werbewirksames Spiel mit der Hautfarbe und kolonialistischer Darstellung.

Einmal angenommen, Oliviero Toscani, verantwortlich für Benettons Kampagnen, will darüber hinaus auch mit diesem Bild „Probleme ansprechen“, „Tragödien ins Bewußtsein rufen“, „erziehen und emotional bewegen“. Welche Botschaft enthält es? – Eine auffällige Erscheinung rufe immer Erstaunen hervor. Hautfarbe sei ein diskriminierendes Merkmal – immer und überall. Von der Auffälligkeit sei es nicht weit zur Ausgrenzung. Summa summarum: Hautfarbe sei von jeher ein relevantes unterscheidendes Merkmal, Rassismus mithin allzu „menschlich“.

Gerade die Verknüpfung von Hautfarbe und Identität, wie sie in dem Bild angelegt ist und die Bildunterschrift vollzieht, kritisiert aber der Artikel ausdrücklich, weil diese Verknüpfung notorisch mit der Ausblendung von Herrschaft einhergeht.

Das Foto ist so gesehen eine klassische weiße Entlastungsphantasie, die vorgibt, allgemein menschliche Probleme ins Bild zu setzen. (Zu weißen Inszenierungen kann ich nur empfehlen: bell hooks: „Black Looks. Popkultur, Medien, Rassismus“ und „Sehnsucht und Widerstand. Kultur, Ethnie, Geschlecht“, beide im Orlanda Frauenverlag erschienen.)

Gegen den Versuch, durch die Reproduktion solcher Bilder ihren Aufmerksamkeitswert zu nutzen, bei gleichzeitiger verquerer Distanzierung, will ich mit dem alten Goethe einwenden: „Dummes vors Auge gestellt, / hat ein magisches Recht, / weil es die Sinne gefangen hält, / bleibt der Geist ein Knecht.“ Claudia Koppert

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