: Weiß
2005 Pinot blanc „Rot Murlé“ vinifié sans soufre (ohne Schwefelzusatz), Weißwein trocken, Domaine Pierre Frick, Elsass, Frankreich, 13,65 Euro, Biowein
Dass Wein ein Naturprodukt sei, ist ein Mythos. Vielmehr ist er ein kulturelles Erzeugnis, das ohne Eingriffe des Menschen zu Essig wird. Aber die Legende vom „natürlichen“ Wein wird weitergesponnen, soll ihn als romantischen Sehnsuchtsstoff mit Naturproduktimage vermarkten. Der Begriff „Naturwein“ wurde bereits im „Dritten Reich“ ins deutsche Weinrecht aufgenommen und erst 1971 gestrichen. Als Gegenbewegung zur Globalisierung der Weinwelt mit ihren Hightech-Weinen hat er wieder Konjunktur. Vom Naturwein ist es nur ein kleiner Schritt zum „reinen“ Wein.
Es ist das höchste Ideal vieler avancierter Winzer, einen reinen Wein zu erzeugen, frei von Fremdstoffen und Chemikalien. Doch Wein ist an der Luft instabil, der Sauerstoff oxydiert ihn, und er zerfällt. Deshalb wird er seit der Antike mit antioxydanten Substanzen wie Harz, hochprozentigem Alkohol oder Schwefel konserviert. Das, was wir heute mit Wein assoziieren – ein differenziertes und stabiles Geschmacksbild –, ist ohne die Zugabe von Schwefelsäure undenkbar. Dabei handelt es sich freilich um minimale Dosen, die dafür sorgen, dass der Wein leben kann, schließlich ist er ein sensibles Gebilde. Dennoch gibt es Weine, die ganz ohne Schwefelgaben erzeugt werden.
So einen Wein entstehen zu lassen, ist eine riskante Gratwanderung, die nur wenige Winzer auf sich nehmen. Einer von ihnen ist der Elsässer Jean-Pierre Frick. Er erzeugt seit über 20 Jahren biodynamische Weine und schafft es, den Wein so entstehen zu lassen, dass er ohne Zusätze stabil wird, nicht verdorben ist und uns an seinen letzten Atemzügen teilhaben lässt. Und das ist keineswegs morbid, sondern vielmehr ein faszinierendes Erlebnis und eine geschmackliche Grenzerfahrung. Ein Kenner muss man nicht sein, doch aufgeschlossen gegenüber dem unbekannten Geschmack sollte man schon sein.
Fricks ungeschwefelter Pinot blanc (Weißburgunder) verändert sich ständig im Glas: Sobald die Flasche geöffnet ist, beginnt die Oxydation. Zuerst ist er goldgelb, später hellbraun und nach drei Stunden bernsteinfarben. Er erinnert vielleicht an Äpfel, die am Baum vergessen worden sind, den ersten Frost bekommen haben und süß, herb und saftig schmecken. Am Gaumen hinterlässt er einen kraftvollen Eindruck. Man kann ihn nicht mit geschwefeltem Wein vergleichen. Geschmack und Duft verändern sich ebenso wie die Farbe von einem Moment auf den anderen, er bildet Aromen und Texturen, die man nur von alten Weinen kennt. Er kommt aus dem Jahrgang 2005, erinnert aber an einen 30-jährigen Wein. Nach acht Stunden sieht er wie alter Sherry aus, doch sein intensiver Geschmack ist immer noch erstaunlich vital. In der darauf folgenden Nacht stirbt er und am Morgen ist er tot.
Bezug: Sechserkarton, 68 Euro inkl. Porto und Versand; Zwölferkarton, 128 Euro. Kleine-Homann’s Winzer Weine. Freiheitsstraße 1, 46284 Dorsten, Fax: (0 23 62) 6 90 67, Fon: (0 23 62) 6 28 53, E-Mail: kleine.homanns.winzer.weine@t-online.de