: Weiser, leiser Arbeiter
Trotz des 2:1 beim VfB Stuttgart übt sich Leverkusens Trainer Daum weiter in besonnenem Understatement ■ Von Thilo Knott
Stuttgart (taz) – Ob das Christoph Daum gefallen hat? Leverkusens Jens Nowotny jedenfalls ließ sich nach dem 2:1-Auswärtssieg beim VfB Stuttgart folgendes entlocken: „Die Jagd ist eröffnet.“ Attacke? Christoph Daum indessen pocht nicht (mehr) darauf, die Rolle des Posaunisten innehaben zu dürfen. Im Gegenteil. Nach dem erfolgreich erledigten Job im Neckar-Stadion legte Leverkusens Vorarbeiter trotz Bundesligarang zwei und nur drei Punkten Rückstand auf die Bayern eine andere Platte auf, die die kommenden „sechs Endspiele“ seines Teams akustisch untermalen soll: Understatement.
Zunächst galt selbiges dem geschlagenen Kontrahenten: „Ein Lob“ zollte Daum dem Kollegen Löw für die Entwicklung, die jener in Stuttgart eingeleitet habe. Und prophezeite: „Der VfB wird mit Sicherheit Pokalsieger.“ Weiter ging's im Understatement-Programm bei der Frage nach dem Titel: „Jetzt zu postulieren, wir wollen Meister werden, ist etwas vermessen.“ Schlußendlich galten Daums Worte den eigenen Spielern: Mit Sicherheit sei man „nicht die Über-Mannschaft“ der Liga. Trotz der Führung von Paulo Sergio (44.) habe man sich in der Pause eindringlich „über das Fußballspielen unterhalten“ müssen.
Man muß sich die Entwicklung in Leverkusen vor Augen halten: Vor Saisonfrist, so beschreibt das Stürmer Ulf Kirsten, sei man „auf dem letzten Zahn“ gegangen, am Boden gewesen, „physisch und psychisch“. In den Köpfen steckte das Trauma des Fastabstiegs ins Nirgendwo der Fußball-Republik. Daum kam – und mußte bei Null anfangen. Weshalb er nun den Tabellenrang zwei als „sensationelle Sensation“ bezeichnet.
Natürlich, sagt Kirsten, wollte „niemand so eine Situation noch einmal erleben“. Der mannschaftliche Eigenwille in Ehren: Bei keinem der Spitzenvereine wird das Wohl derart mit dem Übungsleiter personifiziert wie beim Leverkusener Werksklub. „Christoph Daum“, berichtet Kirsten, „lebt uns seine Mentalität tagtäglich vor.“ Die des geduldigen „Staubsaugerverkäufers“ hat Kirsten höchstselbst verinnerlicht. Das 2:0 in Stuttgart war sein 15. Saisontreffer. Er strotze, sagt Kirsten, nur so „vor Selbstvertrauen“.
Das freilich hat ihm – klar – erst Christoph Daum wieder gegeben. In fast keinem Interview läßt Daum den Satz aus: „Fußball muß gearbeitet werden.“ In den 90 Minuten gegen den VfB Stuttgart hat das Team den Auftrag umgesetzt. Daum sagt es lapidar: „Tore fallen aufgrund von Fehlern.“ Auf Fehler des Gegners aber hatten die Leverkusener stoisch hingearbeitet. Das Wörtchen „Fehler“ ist scheinbar Mittelpunkt der Daumschen Arbeitsauffassung. „Im Spitzenbereich“, doziert er, „hängt der Erfolg von Kleinigkeiten ab.“ Diese müsse man „hart erkämpfen und erarbeiten“. Selbst der Sieg in Stuttgart lädt ein zu Daums Anschauungsunterricht. Der VfB habe „Harakiri gespielt“ und erst dadurch den Anschlußtreffer durch Thomas Berthold geschafft. „Wir haben den Fehler gemacht“, sagt Leverkusens Trainer, „uns auf einen offenen Schlagabtausch einzulassen.“ Das aber sei nicht schlimm, weil „die haarsträubenden Fehler dazu da sind, die Mannschaft weiterzubringen“.
Der Trainer lebt auch das dem Team natürlich vor: Nicht mehr den Liga-Lautsprecher mimen, ist die Devise, sich vielmehr der Erkenntnis verschreiben, daß ein Weniger manchmal ein Mehr nach sich zieht. Es handelt sich um eine erfolgversprechende Neuinszenierung der „Aus Fehlern wird man klug“-Philosophie. Keine Frage: Christoph Daum hat derzeit mächtig Spaß daran.
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