Das Portrait: Weimarer Relikt
■ Josef Felder
Wenn Josef Felder von der „Kommunistischen Internationale“ spricht, dann verschluckt er eine mittlere Silbe, so daß es klingt, als würde er von einer „komischen Internationale“ erzählen. Dieser Verein war ihm schon 1921 suspekt. Felder leitete damals eine schwäbische Ortsgruppe der Unabhängigen Sozialdemokraten, weil ihm die Mehrheits-SPDler „zu lau“ waren. Doch als sich seine „Unabhängigen“ der „komischen Internationale“ anschließen wollten, legte sein Amt nieder und trat zur MSPD über.
Felder, der heute 95 Jahre alt wird, arbeitete in der Weimarer Republik als Journalist. 1932 wurde er in den Reichstag gewählt und gehörte einer ziemlich vergreisten SPD-Fraktion an. Ein Fraktionsführer forderte die Anschaffung eines Kinderwagens, als er den 32jährigen sah. Felder quittierte daraufhin mit der Bemerkung: „Schauen Sie sich die Nazis an: Bei denen sind es auch die Jungen, die gefährlich werden können.“
Wie gefährlich, erlebte Felder kurz darauf selbst. Bei den anstehenden Reichstagswahlen 1933 kandidierte er zwar wieder, doch der SA- Terror ging so weit, daß einige Nazis bei einer seiner Veranstaltungen mit Pistolen in den Saal ballerten. Nach der Wahl am 9. März schärfte ihm sein Bruder ein, jetzt endlich das Land zu verlassen. Beide bestiegen die Zugspitze, übernachteten mit einer Gruppe besoffener Nazis auf einer Berghütte und stiegen am nächsten Tag in das (noch) sichere Österreich hinab.
Josef Felder, letzter noch lebender Reichstagsabgeordneter Foto: AP
Doch das Exil war nichts für ihn. Felder ging zurück nach München und wurde von den Nationalsozialisten zwei Jahre im KZ Dachau gefangengehalten. 1936 kam er frei, nachdem der Olympia- Sportler Willi Bogner für ihn interveniert hatte. 1945 wiederholte er seine Weimarer Karriere: Zunächst arbeitete er beim SPD-nahen Reichenhaller Volkskurier, dann leitete er die Redaktion des Vorwärts. Ab 1957 gehörte Felder zwölf Jahre dem Bundestag an.
Danach bemühte sich der letzte noch lebende Reichstagsabgeordnete vor allem, Schülern seine Erfahrungen mit den Nazis zu vermitteln. Nur gelegentlich mischte er sich in die Tagespolitik ein, etwa 1990 mit der Bemerkung, die SPD dürfe auf keinen Fall mit der PDS zusammenarbeiten. Vor zehn Jahren wurde Felder zum Ehrenvorsitzenden der Bayerischen SPD ernannt; seit einiger Zeit lebt er zurückgezogen am Stadtrand von München. Felix Berth
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