piwik no script img

Weihnachten im Himmel

■ Bald brutzeln sie wieder, die traditionellen Weihnachtsgänse / Öko-Test läßt manche gute Feder an ihnen / Gestopfte Tiere verderben aber den Appetit

Was wird aus Gänsen, wenn man sie schlachtet, ausnimmt, einfriert, lagert, transportiert und auslegt? ÖKO-TEST wollte es wissen, kaufte kurz vor Weihnachten 1993 frische und gefrorene Gänsebraten aller Art ein und schaute ihnen unter die Federn.

Das Ergebnis fiel insgesamt nicht schlecht aus: Unter den 26 Gänsen fand ÖKO-TEST nur an drei etwas Ernstes auszusetzen: Sie rochen alt oder sogar faulig und enthielten eine erhöhte Zahl von Keimen.

„98 Prozent aller Mikroorganismen tun dem Menschen zwar nichts“, erläutert Hans Georg Hechelmann, Mikrobiologe bei der Bundesanstalt für Fleischforschung in Kulmbach. Aber: „Je höher die Keimzahl ist, desto eher tauchen gefährliche Erreger auf.“ In einer Gans stießen die Öko-Tester denn auch auf bedenkliche Fäkal-Bakterien. Rückstände von Medikamenten konnten erfreulicherweise in keiner Gans nachgewiesen werden, ebensowenig Salmonellen.

Die Ergebnisse lassen sich allerdings weder verallgemeinern noch ohne weiteres auf die diesjährige Gänseschaar übertragen. Darum bewertete ÖKO-TEST die Objekte auch nicht. Zwar zeigt die Untersuchung, daß das Frischhaltesystem weitestgehend funktioniert. Sie zeigt aber auch, daß man sich nicht immer blind auf den Handel verlassen kann – die drei erwähnten Gänse entsprachen nicht dem Lebensmittelrecht.

Ungefährlich, aber ärgerlich ist der sogenannte Frost- oder Gefrierbrand. Er entsteht, wenn Eiskristalle verdampfen und Luft ins Fleisch dringt. Das wird daraufhin strohig und grau, ist auch durch ausdauerndes Kochen oder Braten nicht zu erweichen und das Fleisch schmeckt einfach nicht.

Achtmal fiel ÖKO-TEST Frostbrand ins Auge: dreimal stark, fünfmal punktuell. Eine Ursache dafür können beschädigte Verpackungen sein: Bei sechs der 19 gefrorenen Gänse war die Verpackung kaputt, doch nicht alle waren gleich von Frostbrand befallen. Ebensowenig fanden wir in ihnen zu viele Keime. Das spricht dafür, daß der Riß im Plastik noch nicht alt war.

Ob eine Gans übermäßig mit Keimen belastet ist, läßt sich durch Ansehen nicht erkennen. Gefährdet sind aber Tiefkühl-Gänse mit kaputten Verpackungen oder mit Eisschnee vom Antauen, außerdem Gänse, die in einer überfüllten Truhe nicht richtig gekühlt werden können. Wer zu Hause Frostbrand entdeckt oder feststellt, daß die Gans muffig oder faulig riecht, hat das Recht, sie beim Händler umzutauschen oder das Geld zurückzuverlangen.

Als Schutz vor Salmonellen sollte man bei der Zubereitung sicherheitshalber die Verpackung sofort wegwerfen, das Auftauwasser weggießen und die Gans schön knusprig braten. Das tötet alle Keime.

Bei Gänsen aus Ungarn oder Polen muß damit gerechnet werden, daß sie gestopft, also zwangsernährt wurden: Mit einer Maschine stopft ihnen der Mäster drei Wochen lang vier- bis sechsmal am Tag den Magen mit gequollenem Mais voll. Die Leber der gequälten Tiere verfettet völlig und wächst krankhaft – eine Delikatesse, wie viele Feinschmecker finden. In Deutschland ist das Stopfen verboten. Trotzdem werden sowohl die Gänselebern als auch die fetten Gänsekörper importiert. Na dann: Guten Appetit! Stefan Becker

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen