: Weihe zum Märtyrer
Der geplante Besuch des österreichischen Präsidenten Waldheim beim Papst erhitzt erneut die Gemüter. Die Kritik an der Audienz kommt einmal mehr von außen: Das Simon–Wiesenthal–Zentrum hat die Jüdische Gemeinde der USA zu einer nächtlichen Mahnwache vor der Botschaft des Vatikans in Washington aufgerufen, um gegen die Gewährung der Audienz zu protestieren. Nachdem der „Jüdische Amerikanische Kongreß“ AJC bereits angekündigt hatte, ein geplantes Treffen mit dem Papst im kommenden September boykottieren zu wollen und drei weitere jüdische US–Organisationen damit gedroht haben, sich einem Boykott des Treffens anzuschließen, mischten sich am Montag die katholischen Bischöfe ein. Der Präsident der Nationalen Katholischen Bischofskonferenz, Erzbischof John L.May, erklärte in Washington, es müsse ein Dialog mit den jüdischen Organisationen aufgenommen werden. Die Vereinigung Jüdischer Hochschüler Österreichs wandte sich am Montag mit einem Schreiben an Bundeskanzler Vranitzky und Außenminister Mock, in dem es hieß: „In den letzten Ta gen kam es wiederholt zu antisemitischen Anpöbelungen und Übergriffen auf religiöse Juden in Wien. Juden sind im Wien des Jahres 1987 nicht mehr sicher.“ Die österreichische Regierung hat unterdessen die Flucht nach vorne angetreten. Während sich die regierende sozialistische Partei vornehm bedeckt hielt, nachdem der sozialistische Bundeskanzler vor kurzem die Einladung Waldheims gutgeheißen hatte, zitierte das Außenministerium am Montag den israelischen Geschäftsträger Yarden herbei, um die israelische Kritik an der Waldheim–Einladung zu rügen. Der konservative Außenminister Mock, der ohnehin auf der Abschußliste seiner Partei steht und wohl fürchtet, ein Fall Waldheims könne seinen eigenen beschleunigen, wandte sich erneut gegen die „intolerante Kritik“ gegenüber der Einladung. Er bestritt Österreichs außenpolitische Isolierung und wies darauf hin, daß Bundespräsident Waldheim immerhin inzwischen aus Jordanien, Ungarn, Libyen und Uganda Einladungen erhalten habe. Der israelische Außenminister Schimon Peres hat unterdessen seine Kritik an der Papstaudienz für Waldheim erneuert. „Ein solcher Besuch ist beklagenswert, und ich bedauere ihn in höchstem Maße“, erklärte er in Tel Aviv. Nur Waldheim könne davon profitieren. Dieser Ansicht ist auch der Leitartikler des österreichischen Wochenmagazins „Profil“, Peter Lingens. Er schreibt dort: „Zumindest was unsere Beziehungen zum Vatikan betrifft ist Alois Mock ein genialer Außenminister. Waldheims Lager ist wieder fest geschlossen. Das war in den letzten Monaten nicht immer der Fall gewesen. Gerade den politisch gewichtigsten unter seinen Fans der ersten Stunde - Leute aus der Wirtschaft, die viel ins Ausland kommen - war doch ein wenig mulmig geworden bei der Vorstellung, fünf weitere Jahre mit einem geächteten Präsidenten zu leben. All diese Leute werden jetzt wieder mit ihm leben wollen. Denn sie gehören zu einem sehr großen Teil nicht nur der konservativen, sondern auch der katholischen Kernschicht des Landes an: Die Einladung durch den Papst kommt der Weihe Waldheims zum Märtyrer gleich.“ Antje Bauer
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