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Wehmut im Kabinett

■ Letzte Sitzung eines DDR-Kabinetts

Berlin (dpa) — Genau eine Woche vor dem DDR-Beitritt zur Bundesrepublik hat die erste frei gewählte Regierung der DDR am Mittwoch zum letzten Mal getagt. Ministerpräsident Lothar de Maizière (CDU) sagte anschließend vor der Presse, ihm sei „ein bißchen wehmütig“ zumute gewesen. In einem Rückblick zog der 50jährige Kabinettschef eine — wer hätte es anders erwartet — positive Bilanz der Regierungsarbeit, auch wenn längst nicht alle Ziele erreicht worden seien. Der Auftrag der Wähler bei den Volkskammerwahlen am 18. März, ein geeintes Deutschland zu schaffen, sei viel schneller realisiert worden als damals noch vermutet.

In der letzten Ministerratsrunde ging es um einen Raumordnungsbericht, der nun an das zuständige bundesdeutsche Ministerium weitergeleitet wird, sowie um die Probleme eines Schweinezuchtbetriebs und ein Gelände der Nationalen Volksarmee (NVA) in Delitzsch. Dort sollen 800 Tonnen chemische Kampfstoffe aus dem Zweiten Weltkrieg lagern.

Als die fünf wichtigsten Punkte seiner Regierungsarbeit nannte der CDU-Politiker Kommunalverfassung und Kommunalwahlen am 6. Mai, die Ländereinführung, die Schaffung der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion, den Einigungsvertrag sowie den erfolgreichen Abschluß des Zwei-plus-vier- Prozesses, der dem geeinten Deutschland die „volle Souveränität“ bringe. Auf die Frage, ob er einmal das Gefühl hatte, „jetzt reicht's“, antwortete de Maizière: „Haben Sie gefragt, ob einmal?“ Dann fügte er hinzu, daß er besonders von den Problemen im Juli — mangelnde Liquidität der Betriebe, Versorgungsprobleme und die große Krise in der Landwirtschaft — betroffen gewesen sei. Zu seiner Zukunft sagte de Mazière nur, daß er als einer der Minister ohne Geschäftsbereich aus der dann ehemaligen DDR bis zu den gesamtdeutschen Wahlen ins Kabinett von Helmut Kohl eintrete. „Über die Zeit danach müssen die Wähler befinden.“ De Maizière wird nächste Woche zum CDU-Vizechef gewählt.

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