: Wegfahren und umsatteln
Wie Schriftsteller werden: Einige schwierige Wege sowie eine einfache Lösung
Wie man das denn werde, wird man hin und wieder gefragt, Autor oder, ähem, Schriftsteller. Na so, sagt man dann, wenn man sich denn als Schriftsteller bezeichnen lassen möchte, so halt. Na ja, man sollte schon, fährt man dann verlegen fort, fünf bis sieben gute Bücher gelesen haben und vielleicht mit Kleinkram beginnen und erst dann die größeren Formen ins Auge fassen bzw. eher – nein, es sei ein Problem, man wisse es nicht zu sagen, wie man das werde, sagt man, und wenn man anschließend, neu ansetzend und um eine etwas hilfreichere Auskunft bedacht, sachte betont, es gebe da kein Rezept, schon gar kein allgemein gültiges, höchstens ein paar Regeln, die die Erfahrung, die eigene und damit eben diejenige des Produzierens, des Schon-Schreibens, mit sich bringe, dann wächst die Enttäuschung des Fragenden, und die Enttäuschung über die unbefriedigenden Antworten wächst sich zu Unmut aus, wenn man obendrein meint, betonen zu müssen, es sei allemal besser, auftragsgebunden, etwa für eine Zeitung als für die Schublade zu schreiben und demzufolge angeraten, sich an Rezensionen zu versuchen und zu üben und dann weiterzusehen.
Na also, das hätte man sich ja auch selber denken können, hört man dann, und so endet das Gespräch, das aufgrund einer eklatanten Unfähigkeit zur Belehrung oder aufgrund eines persönlichen Auskunftsmissstandes in die Leere lief.
Jenen Missstand versuchen nun einige Ausbildungsinstitutionen zu beheben – ein wenig orientiert an der US-amerikanischen Tradition der Creative-Writing-Kurse. Rund um das jährliche Klagenfurter Ingeborg-Bachmann-Lesewrestling wird für zehn Auserwählte eine viertägige „Häschenschule“ (Der Tagesspiegel) absolviert, und an „richtigen“ Universitäten tut sich auch was, über Walter Jensens glorreiche Tübinger Schreibseminare hinaus: Am 1995 als Neubelebung des abgewickelten Johannes-R.-Becher-Instituts gegründeten Deutschen Literaturinstitut lehren Josef Haslinger und Hans-Ulrich Treichel, in Hildesheim bietet man seit 1999 den Studiengang „Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus“ an, den Hanns-Josef Ortheil als Dozent bereichert.
Die Studentenzahlen sind jedoch stark begrenzt, in Leipzig und Hildesheim werden aus jeweils etwa 500 Bewerbern zehn ausgewählt, und wie viele davon dann „Schriftsteller“ werden, ist auch noch nicht ausgemacht.
Also wird man auf die einschlägigen Lehrbücher verweisen – auf den erstmals 1934 in den USA erschienenen Klassiker von Dorothea Brande „Schriftsteller werden“, auf William Zinssers „Schreiben wie ein Schriftsteller“, auf Lajos Egris Knaller „Literarisch Schreiben: Starke Charaktere – Originelle Ideen – Überzeugende Handlung“, auf James N. Freys Klopper „Wie man einen verdammt guten Roman schreibt“ oder auf Charles M. Schulz’ optimalen Band „Schriftsteller werden ist nicht schwer“.
Da man aber den ganzen Krempel selbst nicht kennt, empfiehlt man ehrlichen Herzens doch eher Andrzej Stasiuks Autobiografie „Wie ich Schriftsteller wurde“, die darüber, wie Stasiuk Schriftsteller wurde, kein einziges Wort verliert und auf der letzten Seite mitteilt: „Und damals überlegte ich, vielleicht doch wegzufahren und endlich Schriftsteller zu werden.“
Oder man erteilt den nicht minder brauchbaren Rat, täglich die Bild-Zeitung zu studieren. Die zitierte nämlich in einem „Porträt“ über den „irren Amok-Piloten“ Franz Stephan S., der im Januar mit einem Sportflugzeug über Frankfurts Bankentürmen herumgeknattert war, dessen Mutter mit dem Statement: „Mein Sohn sattelt um. Er wird jetzt Schriftsteller.“
So geht das. JÜRGEN ROTH