: Weder Angie noch Gerry
betr.: „Die SPD, eine Zumutung“, taz vom 1. 9. 05
Der Kommentar von Jens König trifft genau in Schwarze. Der gesamte Wahlk(r)ampf ist in diesem Jahr ein Farce.
Die neue Staffel von „Deutschland sucht den Superstar“ hat noch nicht einmal begonnen, und trotzdem darf schon bald wieder gewählt werden. Zwar nicht so richtig modern per überteuerter SMS oder 0 13 79-Telefonnummer, sondern ganz altmodisch in einer dunklen Wahlkabine mit einem billigen Kugelschreiber. Nur, wen wählt man überhaupt? Bei den diversen Castingsendungen weiß jeder Zuschauer, außer dem schwärmenden Teenagermädchen, dass es sich bei dem „Star“ nur um ein perfekt inszeniertes One-Hit-Wonder aus der Retorte handelt und es irrelevant ist, wer den belanglosen Siegersong von Popikone Dieter Bohlen präsentiert.
Leider scheint sich auch die vermeintlich spießige Wahl zum 16. Deutschen Bundestag nicht mehr signifikant vom Popspektakel zu unterscheiden. Auch hier handelt es sich vornehmlich um perfekt inszenierte Kandidaten, deren belanglose Botschaften mit völlig übertriebenem finanziellem und medialem Aufwand inszeniert werden. Und auf diversen Nebenkriegsschauplätzen wird nicht die ewige Liebe besungen, dafür aber allzu gern das Lied der Nebensächlichkeit gespielt, dessen Strophen unter anderem Terrorgefahr, Irankrieg, innere Sicherheit und Atomkraftausstieg heißen.
Da am Ende natürlich auch das Auge entscheidet, bleibt nur zu hoffen, dass weder die trendsettende Angie noch der markante Gerry die Siegerhymne werden singen dürfen. Vielleicht sollte man mal etwas Neues ausprobieren, vielleicht ein Duett zwischen einem Wessi und einem Ossi? CHRISTIAN SCHÖLER, Essen