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Wedemeier: „Menschlich unanständig“

■ Bürgermeister Wedemeier kanzelt Wirtschaftssenator Jäger (FDP) ab / Wahl am 14. Mai

Innensenator Friedrich van Nispen - bis Montag FDP - hat „gute Arbeit geleistet“, erklärte Bürgermeister Wedemeier gestern zu den Zuständen in seinem Senat. Er habe ihn gebeten, bis zur Neuwahl des Senats im Amt zu bleiben. Für seinen Wirtschaftssenator Claus Jäger (FDP) hingegen hatte Wedemeier nur scharfe Worte und beißende Kritik übrig.

Dem Wirtschaftssenator gab er auch die Schuld am Ende der Ampel-Koalition: Die Bremer Ampel-Koalition sei „vom Wirtschaftssenator kaputtgemacht“ worden. Wedemeier auf die Frage, ob es ohne die Person des Wirtschaftssenators Jäger die Ampel noch gäbe: „Ich bin fest davon überzeugt - ja.“ Wedemeier prognostizierte auch für die Zeit nach den Neuwahlen: „Einer Koalition, in der Herr Jäger vertreten ist, gebe ich sowieso keine große Überlebenschance.“

Wedemeier hatte nach einer sehr kurzen Routine-Sitzung des Senats eine Pressekonferenz angesetzt, um über seine Sicht der Lage der Landesregierung zu informieren. „Bisher“, so Wedemeier, sei es im Senat als Kollegialorgan „menschlich anständig“ zugegangen. Mit seiner Bemerkung, van Nispen habe seit Monaten Schwierigkeiten in der fachlichen Auseinandersetzung gehabt, habe Jäger diese Grenze überschritten: „Diese Aussage ist menschlich unanständig“, wiederholte Wedemeier das Urteil. Von der Sache her sei das zudem falsch. Und van Nispen „gehört zu denen, die die Senatsvorlagen immer gelesen haben“, spielte Wedemeier offenkundig auf Jäger an.

Enttäuscht gab sich Wedemeier über den FDP-Vorsitzenden Manfred Richter. Mit ihm habe er am 19. Januar in einem Gespräch vereinbart, daß die Ampel-Koalition nicht fortgesetzt, aber bis zum Wahltermin September zu Ende geführt werden solle. Von Journalisten habe er dann erfahren, daß diese Verabredung von Richter aufgekündigt worden war. Daß Jäger die Koalition beenden wollte, habe man im Senat seit den Bundestagswahlen gespürt.

Voll des Lobes war Wedemeier für den aus der FDP ausgetretenen Innensenator. Der habe „zu den Stabilisatoren des Senats und der Koalition“ gehört, ein „geschlossenes sicherheitspolitisches Konzept“ verfolgt, „mutig die Polizeireform“ angepackt und den Dogenstrich „konsequent“ bekämpft.

Auf eine entsprechende Erfolgsbilanz seines Wirtschaftssenators Jäger angesprochen wurde Wedemeier einsilbig: „Da bin ich am Ende mit meinem Latein.“ Der Behauptung des FDP-Chefs Richter, das Amt des Wirtschaftssenators sei schwieriger als das des Innensenators, widersprach Wedemeier ausdrücklich: Der Posten des Innensenators sei „allemal der Schwierigere“. In der Wirtschaftspolitik könne er zudem „keinen großen Erfolg oder Fortschritte erkennen“, jedenfalls nicht durch das Ressort. Insbesondere der Mittelstand, den sich der FDP-Senator auf die Fahnen und in die Bezeichnung des Amtes geschrieben hatte, „hat noch nicht einmal einen Ansprechpartner in diesem Ressort“. Der Integrierte Flächennutzungsplan (IFP) sei „nur zustande gekommen, weil ich mich am Ende der Sache angenommen habe“. Die Rettung der Klöckner-Hütte vor der drohenden Schließung - „nur weil ich die Dinge in die Hand genommen habe“. Werftenpolitik - auch Sache des Präsidenten des Senats. Ansprechpartner für den Mittelstand - allemal das Rathaus. Wedemeier wurde vernichtend: „Ich wünsche mir einen Senat, wo ich nicht immer wieder die Dinge Einzelner in die Hand nehmen muß.“

Auch allgemein beschrieb Wedemeier die Rolle Jägers nur destruktiv. So habe Innensenator van Nispen mit dem Stadtentwicklungssenator Fücks für den Weidedamm III ein Konzept der Deeskalation verabredet. Van Nispen war 14 Tage nicht da, diese Abwesenheit ausnutzend habe Jäger versucht, dieses Konzept kaputt zu machen: „Da ist er seinem eigenen Kollegen Innensenator in den Rücken gefallen.“ Auch am Thema Weidedamm hätte die Ampel auseinanderfliegen können.

Fücks und Jäger seien „einfach nicht zusammen zu bringen gewesen - auch nicht bei Nacht“, aber die Schuld sei „mehr beim Wirtschaftsressort zu suchen“, Fücks habe immer wieder „im Interesse der Sache und der Ampel einen Kompromiß gesucht“.

Weder die FDP noch Wirtschaftssenator Claus Jäger wollten gestern zu den Vorwürfen Stellung nehmen.

Der Senat regiert jetzt nach Wedemeiers Auskunft ohne Koalitionsvereinbarung mit einfacher (SPD-)Mehrheit. Nach der Verabredung der Fraktionen soll eine Sondersitzung der Bürgerschaft Anfang März die Neuwahlen beschließen, die dann (spätestens) am 14. Mai stattfinden müßten. Auch für die Bremerhavener Kommunalwahlen sei dieser Termin erreichbar, meinte Wedemeier, wenn die Stadtverordnetenversammlung dies in der kommenden Woche so beschließe . K.W.

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