: Wat is nich besser als dat Arbeitsamt?
■ Betr.: „Immerhin besser als das Arbeitsamt“, „Teilen in der Klasse“, taz vom 22.12.93
Natürlich hat der von Walter Jakobs zitierte Kollege Recht, der den IGBE-Abschluß mit „besser als dat Arbeitsamt“ kommentiert. Aber die Frage ist doch eher: „Wat is nich besser als dat Arbeitsamt?“ Wenn man die KollegInnen vor die Scheinalternative stellt: entweder arbeitslos oder – wo ist dann noch eine „Grenze des Zumutbaren“ erkennbar? Welche tarifvertragliche Errungenschaft der letzten 40 Jahre sollte Tabu sein, wenn es darum geht, den eigenen Arbeitsplatz, die eigene Haut zu retten?
Als Betriebsrat und Tarifkommissionsmitglied der IG Metall halte ich die Entwicklung, die mit der sogenannten Viertagewoche bei VW begann und von der IGBE in verschärfter Form fortgesetzt wurde, für den gewerkschaftlichen Einstieg in die Tarifdemontage per Tarifvertrag. Arbeitszeitverkürzung war einmal gedacht als Instrument zur Bekämpfung der Erwerbslosigkeit. Jetzt wird daraus ein Billigersatz für Kurzarbeitsregelungen oder für Sozialpläne. Denjenigen, die schon arbeitslos sind, hat das Wort „Arbeitszeitverkürzung“ nichts mehr zu sagen, wenn daraus nur noch eine – begrenzte – Arbeitsplatzsicherung für Noch-Beschäftigte wird.
Gewerkschaften, die jedem Versuch ernsthafter Gegenwehr ausweichen, wo mit der Schleifung des Sozialstaats genau das vernichtet wird, was einstmals die Einbindung der Arbeiterbewegung in das „Modell Deutschland“ erst möglich machte; Gewerkschaften, die mitspielen, wenn die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung (ohne Lohnverlust) umgedreht wird zu einem Instrument der Personalkostensenkung; Gewerkschaften, die Lohnkürzung ins Forderungspaket schreiben – die müssen sich fragen lassen, wozu wir noch Arbeitgeberverbände brauchen.
„Schadensbegrenzung“ macht nur noch dann gewerkschaftlichen Sinn, wenn sie Teil eines strategischen Konzepts zur Umkehr der ganzen Entwicklungsrichtung ist. Bereits die Frage danach scheint in gewerkschaftlichen Führungsetagen abgehakt, nachdem Scharping Herrn Kohl „Zusammenarbeit beim Umbau des Sozialstaats“ andiente. Daniel Kreutz, Arbeits- und
sozialpol. Sprecher der Grünen
im Landtag NRW
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