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Archiv-Artikel

„Was wäre die SPD ohne das Ruhrgebiet?“

NRW-SPD-Vorstandsmitglied Michelle Schumann fordert mehr sozialdemokratische Ruhrgebietsidentität

taz: Frau Schumann, die SPD will sich unter dem Motto „Rotes Ruhrgebiet“ neu organisieren. Warum? Das Ruhrgebiet ist doch schon rot?Michelle Schumann: Ja, das zeigen die SPD-Wahlergebnisse im Ruhrgebiet. Aber es kommt darauf an, dass dies auch so bleibt. Außerdem hängt das Revier beim Thema Wahlbeteiligung zurück. Wir wollen, dass sich besonders jüngere Ruhrgebietsbewohner wieder stärker in die Politik einmischen.

Und dazu braucht man die „SPD Ruhr“?Mehr Zusammenarbeit kann jedenfalls nicht schaden. Die alten sozialdemokratischen Bezirks- und Regionsgrenzen zwischen Niederrhein und Westliches Westfalen geben die Wirklichkeit nicht wieder. Gerade junge Leute sagen heute: Ich komme aus dem Ruhrgebiet. Diese Ruhrpottidentität muss jetzt auch stärker in der SPD verankert werden.

Warum?Weil die Ruhrgebietsstädte oft vergleichbare Probleme haben. Arbeitslosigkeit, Strukturwandel, Familienförderung und bessere Bildungschancen für alle sind kein Problem von Duisburg, Herne oder Dortmund, sondern eine Herausforderung für das gesamte Revier. Deshalb müssen die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Ruhrgebiet an gemeinsamen Lösungen arbeiten.

Wie könnten solche Lösungen konkret aussehen?Das Revier braucht eine gute Stadtteilarbeit. Die Leute definieren sich auch über die Nachbarschaft, den „Sprengel“, in dem sie leben. Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf, heißt das oft im Politikerdeutsch. Das müssen wir politisch mit Leben füllen, damit die Menschen gerne hier arbeiten und wohnen.

Die Realität sieht im Pott doch eher trübe aus. Junge Leute verlassen das Ruhrgebiet, die Alten und sozial Schwachen bleiben da.Genau deshalb brauchen wir neben guter Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik eine gezielte Stadtteilpolitik. Der Bildungsstandort Ruhrgebiet etwa muss gefördert werden, indem das Wohn- und Lebensumfeld der zahlreichen Universitäten und Fachhochschulen besser wird. So arbeiten wir etwa an einem neuen Studentenviertel in Herne, das über die Uni-Straßenbahn U35 mit der Ruhr-Universität Bochum verbunden ist.

Aber die Weichenstellungen in der Strukturpolitik werden in Düsseldorf vorgenommen – und da regiert nicht die SPD, sondern Schwarz-Gelb.Tatsächlich trifft die Kürzungspolitik von CDU und FDP vor allem sozial schwache Stadtteile. Mit dem neuen NRW-Schulgesetz wird die Chancengleichheit weiter eingeschränkt. Auch dagegen muss sich die Ruhr-SPD positionieren – mit Gegenkonzepten.

Der Weg der NRW-SPD zurück an die Macht führt also über das Ruhrgebiet?Ja, das Revier ist sehr wichtig für die SPD. Was wäre die SPD ohne das Ruhrgebiet?

Nämlich was?(lacht) Das war eine rhetorische Frage.

INTERVIEW: MARTIN TEIGELER