Was tun gegen die Brände in Brasilien?: Ein Smiley für den Amazonas
Was kann die Weltgemeinschaft tun, wenn der Regenwald brennt? Lokal aufforsten in Hambach? Die private Empörung bei Facebook teilen?
U nter Aufgebot aller heroischen Widerstandskräfte hat der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro die angebotenen G7-Hilfsgelder gegen den Brand im Regenwald zurückgewiesen. Einmischung in innere Angelegenheiten, kolonialistische Haltung, das geht nicht im neurechten Jahrzehnt der Befreiung. Aber wie geht globaler Klimaschutz dann? Was kann die Weltgemeinschaft tun, wenn sie mitbekommt, dass an einem Ort der Welt etwas passiert, das zerstörerische Folgen für den ganzen Planeten hat ?
Global denken, lokal handeln, heißt eine Antwort von Greenpeace – was in Richtung des brasilianischen Vorschlags geht, mit den G7-Geldern lieber europäische Wälder aufzuforsten. Bäume für Hambach, und dann? Der Amazonasregenwald ist leider doch etwas größer. Nun ist es für zivilgesellschaftliches Engagement stets noch schwieriger als für Regierungen, von Biarritz, Berlin oder Bullerbü aus den Regenwald zu löschen, und es ist fraglich, ob es reicht, in Kreuzberg einen Kasten Krombacher zu leeren, um damit das Brauerei-Regenwaldprojekt zu unterstützen oder vielleicht noch in Papageikostümen vor der brasilianischen Botschaft herumzuflattern.
Doch sind Aktivistinnen und Aktivisten auch hierzulande findig: Seit Tagen werden auf Facebook Hinweise darauf, dass im Amazonasgebiet der Regenwald brennt und dass das schrecklich ist, eifrig geteilt, gelikt oder mit wütenden Smileys versehen. Möglich, dass durch einen Facebook-Like ein südamerikanischer Busch gerettet wird, aber nicht alles, was möglich ist, ist auch wahrscheinlich.
Immerhin: Man fühlt sich nicht untätig, nimmt Anteil, ist betroffen, – und schon sind wir mittendrin in der Mitmachpolitik der Gegenwart, die sich von der Idee der Deliberation emanzipiert hat. Nur aber leider nicht zugunsten all jener, die aufgrund mangelnder gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen waren, sondern lediglich durch die Verbequemlichung der bereits Involvierten.
Eine puerilistische Gesellschaft
Autoritäre Politiker wie Jair Bolsonaro mag das freuen. Es ist ja hinlänglich bekannt, dass die Unterstützung der Rechten nicht nur von rechts kommt, sondern allzu oft eben auch von links – etwa indem sie ihre MitstreiterInnen, wenn nicht gleich sich selbst, für einfältig bis zur Ermüdung halten oder in antiliberale Linksradikalität rutschen, weil das ja die knalligere Party ist.
Womöglich retten wir zudem mit anteilnehmendem Facebook-Aktivismus nicht nur keinen Busch im Amazonasgebiet, sondern treiben das Weltklima noch weiter auf den Abgrund zu: Beim ersten Googletreffer zum Thema Internet und CO2 landet man beim SWR und erfährt, schon eine Googlesuchanfrage verbrauche „etwa 0,3 Watt-Stunden (Wh). Hochgerechnet bedeutet das bei 20 Anfragen bereits den Verbrauch einer Energiesparlampe in einer Stunde.“ Auch verschlänge das Frankfurter Rechenzentrum mehr Energie als der Flughafen der Stadt. Dann doch lieber offline mal wieder eine Avocado essen.
Nun kann man diese Rechnung in die Reihe mit all jenen schadenfrohen Greta-Kritikern schieben, die sich erst für CO2-Emissionen interessieren, seitdem bekannt ist, wie viele Flugtickets es braucht, um ihr „Öko“-(haha!)-Boot zurück nach Europa zu skippern. Der Soziologe Armin Nassehi hat in diesem Zusammenhang den Begriff „Puerilismus“ jüngst zurück ans Licht der Öffentlichkeit gebracht. Eine puerilistische Gesellschaft ist nicht einfach infantil, sie macht sich dümmer, als sie ist. Sie hält eine widersprüchliche Welt nicht aus oder hat einfach keine Lust darauf. Es wäre so, als wollte man behaupten, wer im Kampf gegen Nahrungsmittelknappheit auch nur einen Apfel esse, verrate seine Ideale.
Das ist natürlich Unsinn. Um Veränderungen zu erzielen, muss man mitunter Dinge in Kauf nehmen, die dieser Veränderung widersprechen. Worauf es ankommt, ist die Verhältnismäßigkeit, und die dürfte bei den meisten Facebookaktivitäten im Kampf fürs Klima nicht optimal ausfallen.
Kollektive internationale Schutzverantwortung
Ob es sich beim Wutsmiley um den Wunsch handelt, Menschen aufzurütteln, oder eher darum, sich mit der für die eigene Zielgruppe richtigen Haltung dekoriert zu zeigen, oder vielleicht auch um den puerilistischen Hang, komplexe Probleme auf die Bildsprache der Kindergartenzeit zu reduzieren, mag jeder für sich beantworten. Die aktivierende Wirkung zumindest dürfte relativ gering sein, dafür ähneln sich schon in ihrer Struktur zu sehr Aussagen wie „Atmen ist wichtig“, „Zerstörung ist scheiße“ und „Katzenbabys sind süß“.
Vielleicht schaut man sich deshalb lieber mal im Völkerrecht um. Dort gibt es den Begriff der Schutzverantwortung, Responsibility to Protect, kurz R2P, Anfang der 2000er Jahre in die sicherheitspolitische Debatte eingebracht. R2P setzt dem Souveränitätsrecht eines Staates Grenzen, wenn dieser sich nicht in der Lage oder nicht willens zeigt, die eigene Bevölkerung gegen gravierende Menschenrechtsverletzungen zu schützen. Dann zieht die kollektive internationale Schutzverantwortung.
Nun gibt es gute Gründe, solche Eingriffsrechte nicht vorschnell auszuweiten. Nicht jedes Verbrechen ist ein Verbrechen gegen die Menschheit, und zudem steht die R2P auch im Verdacht, zur Durchsetzung hegemonialer Machtinteressen allzu leicht missbraucht werden zu können. Dennoch ist wohl klar, dass in Klimafragen global denken, lokal handeln allein nicht mehr hilft und über kollektive internationale Verantwortung und deren Durchsetzung dringend nachgedacht werden muss.
Jahrgang 1982, ist Schriftstellerin und lebt in Berlin. Ihr neuer Roman „Schutzzone“ ist für den Buchpreis nominiert und erscheint nächste Woche bei Suhrkamp.
Gerade jetzt, da die Souveränitätsverliebtheit einiger Staatschefs in Abschottung und Nationalismus gipfelt. Dass die Menschheit am Ende ohnehin an Sextourismusflügen nach Thailand und dem Downloaden von Katzen-Videos zugrunde gehen wird, ist die peinlichere Einsicht über das menschliche Wesen. Der Kampf gegen Feuer und Tyrannen hat immerhin Größe. Selbst wenn man ihn verlöre, wäre er noch ein guter Post.
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