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Was treiben die Belgier in Ruanda?

■ Mehr als 1.000 Bauern wurden von Regierungssoldaten massakriert/ „Ruandesische Patriotische Front“ wirft belgischen Elitesoldaten Beteiligung an Repressionsmaßnahmen vor

Brüssel/Berlin (afp/taz) — Gegen die Armee Ruandas und gegen belgische Truppen sind schwere Vorwürfe erhoben worden. Flüchtlinge, die über die Grenze nach Uganda gelangt sind, berichten von einem Massaker an mehr als 1.000 Zivilisten, das Regierungssoldaten am Montag in der Region Mutara verübt haben. Soldaten hätten Bauern des Tutsi- Volkes in ihren Dörfern zusammengetrieben. „Sie eröffneten dann das Feuer, während andere die Häuser niederbrannten“, sagte ein Augenzeuge. In den drei betroffenen Dörfern hätten je 400 bis 500 Menschen gelebt. Ein Entkommen habe es nicht gegeben, da die Soldaten die Dörfer abgeriegelt hätten.

Unter dem Eindruck dieser Nachrichten ist in Belgien eine Kontroverse über die Entsendung belgischer Soldaten nach Ruanda entbrannt. Obwohl die etwa 500 belgischen Fallschirmjäger ebenso wie die französischen Einheiten offiziell lediglich zum Schutz von Europäern in der Region sind, entlasten sie durch ihre Präsenz in der Hauptstadt Kigali die ruandesische Armee, kritisierte die belgische Opposition im Parlament: Diese könnte dann im Hinterland ungehindert „Säuberungsmaßnahmen“ ergreifen. Belgiens Ministerpräsident Martens lehnte gestern eine Bitte des ruandesischen Präsidenten Habyarimana nach zusätzlicher Militärhilfe ab.

Schwere Anschuldigungen gegen die Belgier erhob der Europa-Sprecher der gegen Habyarimana kämpfenden „Ruandesischen Patriotischen Front“ (RPF), Jean Barahinyura, in einem Gespräch mit der taz. Belgische Truppen hätten im Süden des Landes ruandesische Soldaten bei Massakern begleitet. Ferner hätten belgische Kampfhubschrauber Flüchtlingslager an der ruandesisch- ugandischen Grenze bombardiert. „Die Belgier geben Habyarimana die Gelegenheit, Leute zu liquidieren“, so Barahinyura. „Die ausländischen Soldaten müssen unser Land schleunigst verlassen.“

Die zairische Regierung bestätigte, mehrere hundert Elitesoldaten seien zur Unterstützung Habyarimanas geschickt worden. Zusammen mit ruandesischen Einheiten führen sie eine Großoffensive gegen die rund 10.000 Kämpfer der RPF im Nordosten Ruandas. Das Gebiet nördlich der Hauptstadt Kigali werde systematisch durchkämmt, hieß es aus belgischen Militärkreisen. In diesem Zusammenhang soll auch das erwähnte Massaker an Tutsi-Bauern verübt worden sein.

Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGfM) wird am kommenden Mittwoch zwei Abgesandte aus Belgien und Frankreich nach Ruanda entsenden, um die gegen die ruandesischen Streitkräfte erhobenen Vorwürfe zu untersuchen. Auch die Auswirkungen der belgischen und französischen Militärpräsenz soll in Augenschein genommen werden. In Kigali werden nach wie vor mehrere tausend Menschen in einem Fußballstadion festgehalten; es ist zu standrechtlichen Erschießungen gekommen. D. J.

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