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Was ist schon „popfähig“?

■ betr.: „Zuwenig Pop, zuwenig Gemeinsinn“, Die Last mit der Zukunft“, taz vom 14. 5. 97

Es ist sehr bemerkenswert, wie die Daten der Shell-Studie in der taz aufgearbeitet werden. Unabhängig davon, ob der Datenqualifikation der Autoren der Shell- Studie im einzelnen zuzustimmen ist (im einzelnen ist hier manches kontrovers, was im Artikel außen vor bleibt), bleibt doch ein schaler Nachgeschmack. Feddersen setzt die von der Studie seitens der befragten Jugendlichen mehrheitlich bevorzugten „Werte“ nahezu absolut: Die erhobenen Daten sind nicht hintergehbar. Die politisch bereits in jeder Hinsicht vollständig kompetenten Befragten lehnen die oppositionellen Parteien mangels „Popfähigkeit“ ab, also gut, dann haben diese Konzeptionen politisch nichts mehr verloren. Ein Satz des Artikels gibt ungemein zu denken: „Nur die CDU – wohl dies auch ein Zeichen von Realismus mangels Alternativen – darf sich über leichte Zuwächse freuen.“ – Wer dies glaubt, sollte dem „Helmut-Kohl-Support-Verein“ unverzüglich beitreten. Selbstverständlich sind politische Alternativen vorhanden und im Herbst 1998 auch wählbar.

Eine Reflexion, warum diese Daten wurden, wie sie geworden sind, findet nicht statt. Diese Daten sind keineswegs absolut zu setzen, sondern unterliegen selbst permanenter gesellschaftlicher Transformation (die Geschichte der Shell- Studien ist das beste Beispiel dafür). Jene Daten, die sich insbesondere gegen die ach so verstaubte Sozialdemokratie richten könnten, werden diensteifrig bemüht, besonders herausgestellt und begrüßt. Die sich bei den Jugendlichen herausbildenden letztlich erzkonservativen Weltbildstrukturen – und nur innerhalb dieser Entwürfe scheint sich die „Experimentierfreudigkeit“ abzuspielen – haben durchaus ihre Geschichte und sind keineswegs unwandelbar. Immerhin werden diese Daten im Jahre 15 der Ära Kohl erhoben, also nach einer neokonservativen Wende, deren erklärtes Ziel es war, die gerade gewachsenen, meist verborgenen Pflänzchen antirepressiver, sozialliberaler Politkultur einzuebnen und deren Spuren zu beseitigen. Es ist nicht ganz gelungen, aber auch nicht völlig mißlungen. Und der Versuch wird vehement fortgesetzt.

Die Frage ist aber zu erheben, auch wenn dies nicht „popfähig“ sein mag (der Autor scheint dieses „Kriterium“ zu bevorzugen), aus welchen Entwicklungsprozessen diese Einstellungen erwachsen sind. Tatsache ist, daß es kaum gelingt (Gespräche mit Lehrern bestätigen das), materielle Politikinhalte in einer ausdifferenzierten komplexen gesellschaftlichen Struktur zu transportieren und transparent zu machen. In einer von Bilder- und Zeichenflut gezeichneten, immer virtueller werdenden Realität, einer von Medienprogrammen domestizierten Gegenwart, in der notwendige Nüchternheit politischer Entscheidungsrealität kein Ereignis mehr darstellt und nicht „popfähig“ ist, wird ein „Prinzip Einfachheit“ als allgemeiner Geltungsanspruch suggeriert, der praktisch nicht einlösbar ist. Der Verfasser verbleibt im Zustand reiner Affirmation und entzieht sich selbst die Grundlage der Kritik in einer immer mehr zerfallenden kritischen Öffentlichkeit.

[...] Ein Politikmodell zu fordern, daß „popfähig“ ist, mag in rein populistischer Weise „postmodern“ up to date sein. Eine rationale, situationsverändernde Reformpolitik läßt sich damit nicht formulieren. Daß es kaum noch gelingt, materielle politische Inhalte zu transportieren, liegt zu nicht geringem Teil auch an Medien, die derartige Platitüden als „wahr“ verbreiten, ohne Alternativen kenntlich zu machen und in Kenntnis der geschichtlichen Bedingtheit der Datenmenge entsprechende Kritik zu üben. Alternativen wären im Rahmen eines neosozialdemokratischen Politikmodells auf der Basis der bisherigen Daten ohne weiteres vorhanden und stehen auch zur Wahl. [...] Die Daten der Shell-Studie sind interessant und werden sicherlich auch an der Ollenhauerstraße in Bonn zur Kenntnis genommen werden (oder im Willy-Brandt-Haus in Berlin); um sie zur allein maßgeblichen Ausgangsbasis eines künftigen Politikmodells, das außer hitfähigen Stars sicher auch noch Inhalte bieten muß, zu machen, um – wie sagt Feddersen immer wieder so schön? (den Ausdruck muß ich mir merken) – „popfähig“ zu werden, machen wir die Politik als „Hit“, lösen wir unsere Probleme auf dem „Rave“, und die Sache geht in Ordnung. „What a wonderful world this could be!!!“ Ralf Hansen, Düsseldorf

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