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Was ist hier los?

betr.: „Aufsteiger und Absteiger“, „Kaum Bildung und noch weniger Geld“, „Fast in jeder Hinsicht ein Desaster“ (Pisa), taz vom 5. 12. 01

Vor ungefähr 30 Jahren habe ich in meiner Diplomarbeit „Wie verhindert man Schulreform – Modellfall Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen“ behauptet, dass dieser Schulform schon in den ersten Jahren die Gurgel um- und das Wasser abgedreht wurde.

Die Sozialdemokratie hat damals wie heute nicht begriffen, dass es eine „Gesamt“-Schule nicht geben kann, wo es auch Haupt- und Realschule sowie Gymnasium gibt. Und deshalb hat sie auf den „Kompromiss“ der Parallelität von „Gesamt“-Schule und dreigliedrigem Schulwesen gesetzt. Aber schon damals war bekannt: Dieser Kompromiss war (und ist) gut sozialdemokratisch und deshalb schlecht. Er hat dazu geführt, dass die Kriterien des dreigliedrigen Schulwesens auch für die „Gesamt“-Schule gelten und er hat damit die „Gesamt“-Schule zur besseren Hauptschule werden lassen.

Nur mal so, wegen „Pisa“, zum Mitlesen für die SozialdemokratInnen: „Gesamt“ ist eine Schule dann, wenn alle SchülerInnen sie besuchen. Das mag sich schlicht lesen, aber nicht nur die Ergebnisse von „Pisa“ sprechen für die Gültigkeit dieser Schlichtheit. Es mag auch zur Kenntnis genommen werden, dass das öffentliche Schulwesen in den USA, in Großbritannien und der (ehemaligen) Sowjetunion ein „gesamtes“ war und ist. Wogegen auch der Hinweis auf diverse Privatschulen nicht viel hilft. Die gibt es in Deutschland nämlich auch. RICHARD KELBER, Dortmund

Man kann nicht alles haben. Entweder gute Schule oder billiges Bier (siehe Berlin). Da bleiben wir doch wohl lieber beim billigen Bier. DIETER WEHKING, Minden

Die Schulmisere in Deutschland sehe ich in einem größeren gesellschaftlichen Rahmen:

In einem Land, in unserem Land, in dem es normal ist, der rücksichtslosen Raserei auf den Straßen zu frönen, in dem das Recht auf Unversehrtheit hauptsächlich im Hinblick auf den Autolack ernst genommen wird, es gleich ist, ob mit Micro- oder KartoffelchipsProfit gemacht wird, der Kanzler sich in den Sandkasten der „Zivilisierten“ drängt, um dort willfährig Handreichungen anzuwidern. Schulen, in denen nicht nur die Toiletten stinken.

Was ist hier los? Wohin haben sich die helleren Köpfe verabschiedet? Ihr leiseren Leute, ja ich meine DICH, lass die Frustration hinter Dir, nimm mit uns für uns Einfluss, lass uns den richtungsverkorksten vollgasgebenden Polit-Staustehern das Steuer sanft aber bestimmt aus der Hand nehmen. Danke.

ULRICH ARTMANN, Köln

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