piwik no script img

„Warum spielt Ihr keine türkische Musik?“

■ 50 Jugendliche diskutierten in der Nord-Bremer „Gala“ über Ausländerfeindlichkeit in ihrer Disko

„Disko nur für Deutsche oder auf Clubkarte ist für uns keine Lösung.“ Deutliche Worte sprach Heiner Hellmann, Gala-Macher am Mittwoch Abend vor rund 50 Jugendlichen. Er und sein Compagnon Edu Woltersdorf hatten auf deutsch- und türkischsprachigen Flugblättern Jugendliche beider Nationalitäten zu einer Diskussion in das Vegesacker Veranstaltungszentrum eingeladen.

Grund: Seit Bestehen der Gala gibt es dort immer wieder Schlägereien besonders zwischen ausländischen und deutschen Jugendlichen, so daß ein Großteil der Gäste inzwischen wegbleibt. Vor allem in den letzten Wochen bekamen die Türsteher Angst, Leute, die „Streß machen“ (Disko-Jargon) 'rauszuschmeißen.

„Dabei sind das meistens nur Lapalien, irgendwelche Kleinigkeiten. Und natürlich Mädchen“, erzählt einer der ausländischen Jugendlichen unter zustimmendem Gelächter der anderen. „Baggern“ sie mal ein deutsches Mädchen an, bekämen sie es doch gleich mit deutschen Jungen zu tun.

Eines der deutschen Mädchen bestätigte: „Also, ich fühle mich von deutschen Jungen eher belästigt als von ausländischen.“

Ein eher grundsätzliches Problem ist das Ganze für Hans-Georg Schlodtmann von der „Zentralstelle für die Integration ausländischer Mitbürger“. Schlodtmann unter Beifall: „Gegen Ausländer läuft zur Zeit eine ganze Menge.“

Außerdem herrsche in den Diskotheken ein „ziemliches Reizklima“. Schlodtmann: „Ist dann auch noch Alkohol im Spiel, hat man schnell Reibereien. Und sind daran mal Ausländer und Deutsche beteiligt, fragt man nicht, ob der Deutsche vielleicht provoziert hat.“

Ausländer ließen sich sehr leicht beleidigen. Diese Erfahrung zumindest hat Heiner Hellmann gemacht. „Warum ist das so?“, fragte er am Mittwoch in die Runde. Antwort: „Es ist für uns nicht leicht, sich hier anzupassen. Man fühlt sich eingeengt.“ Und: „Irgendwie wird man von den Deutschen immer so schief von oben herab angeguckt.“

Apell eines türkischen Jugendlichen: „Versucht doch mal, cool darüber hinwegzusehen. Ihr wollt es doch auch sonst immer sein.“

Als die ersten deutschen Jugendlichen die Diskussion bereits verließen, kam es unverhofft zu konkreten Vorschlägen, wie das Disko-Klima vielleicht verbessert werden könnte. „Ihr solltet mal besser lüften. Und warum spielt Ihr nicht auch mal türkische Musik?“, fragte einer der Jugendlichen unter heftigem Applaus seiner Landsleute. „Ja, die Idee ist gut“, wurde er von anderer Seite unterstützt, „es gibt wirklich gute, tanzbare türkische Musik.“

Hellmann griff diesen Vorschlag auf: „Das können wir durchaus machen. Zwar nicht den ganzen Abend, aber wir können sie immer mal zwischenstreuen. Wenn wir türkische Musik einbauen, dann ist das auch eine Anerkennung für die türkischen Gala-Besucher.“

Mit diesem Ergebnis und dem Gefühl der Gala-Macher, daß es „erstmal gut war, daß so viele Jugendliche überhaupt mal miteinander gesprochen haben“, ging die Diskussion zu Ende.

Allerdings machte Hellmann klar, daß er „die Situation weiter beobachten“ will. „Wir müssen die Leute auch rausschmeißen können“, unterstützte ihn Edu Woltersdorf, „sonst bewegen wir uns ja in einem rechtsfreien Raum.“

ubu

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen