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Archiv-Artikel

SEIT SECHS WOCHEN GIESST ES WIE AUS EIMERN IN DER UGANDISCHEN HAUPTSTADT. DAS VERSCHAFFT DEN JUNGS EIN KLEINES ZUSATZBROT Warum die Jungs sehnsüchtig auf jeden Schauer warten

Wehe dem, der die Straße reparieren lassen will

VON SIMONE SCHLINDWEIN

Während die ganze Welt über die Dürre in Ostafrika berichtete, schüttet es aus allen Kübeln in Kampala – und das seit knapp sechs Monaten. In Fluten stürzt fast täglich eine Schlammlawine die unbefestigte Straße vor meinem Haus hinunter – angereichert mit vergammelten Plastikflaschen und halb verrotteten Bananenschalen. Sie reißt dann jedes Mal ein Stück mehr von der Straße mit sich, sodass sich an der Seite mittlerweile eine tiefe Rinne gebildet hat, wie ein Flussbett. Zu allem Überfluss brach dann auch noch ein Wasserrohr, das allmählich aus dem weich gewordenen Untergrund hervorlugte. Unter heftigem Druck versprühte es das kostbare Leitungswasser in alle Richtungen. Kinder kamen angelaufen, sogar mit Seife, um sich darin zu waschen. Sie waren ganz enttäuscht, als ich nach Wochen endlich den Wasser-Betreiber anrief und der den Rohrbruch reparierte.

Die unbefestigte Straße wurde immer schmaler. Letztlich so schmal, dass kaum ein Auto mehr passieren konnte, ohne rechts mit den Reifen knapp einen halben Meter tief im Flussbett einzubrechen und darin stecken zu bleiben. Stündlich stecken seither die Autos vor meiner Hofeinfahrt fest. Verzweifelt suchen dann die Fahrer nach Hilfe – und finden sie in Gestalt der arbeitslosen jungen Männer. Für ein paar tausend Schilling sind sie gerne bereit, ihre Kräfte zu investieren, um die Fahrzeuge aus dem Dreck zu wuchten. Die Chance zum schnellen Geld hat sich seitdem in der Nachbarschaft herumgesprochen.

Täglich drücken sich mehr junge Männer vor meiner Hofauffahrt herum. Sie alle warten auf das nächste Fahrzeug, das stecken bleibt, und auf den nächsten Tropenschauer, der weitere Teile der Straße mit sich reißt. Neulich, es war schon dunkel draußen, kippte ein Minibus in die Rinne. Neugierig beobachtete ich, wie immer mehr Männer angelaufen kamen, um den Bus auszubuddeln. Sie diskutierten und gestikulierten, hatten immer neue und mutigere Ideen, den Wagen emporzuhieven. Schließlich schaukelten sie mit vereinten Kräften den Wagen so lange hin und her, bis die Reifen in der Luft hingen und sie große Steine unterschieben konnten. Als sich daraufhin der Wagen langsam aus dem Schlamm grub, sangen und tanzten sie vor Freude.

Plötzlich tauchten Soldaten aus der Dunkelheit auf. In ihrer Tarnuniform konnte man sie kaum sehen. Sie gehören zur Leibgarde des Colonels, der im Haus neben mir wohnt, und zeigten sich besorgt, was die wild schreienden jungen Männer da wohl so treiben. Bleibt nur zu hoffen, dass der sicherheitsbedachte Colonel nun endlich dafür sorgt, dass die Straße ausgebessert wird, damit niemand vor seinem Haus eine Revolution anzettelt. Denn mittlerweile komme ich selbst mit meinem eigenen, kleinen Allrad-Auto nicht mehr in die Hofeinfahrt hinein und muss mich schier nach Hause schieben lassen – für ein paar Schillinge natürlich. Doch wehe dem, der den Jungs in der Nachbarschaft den Job wegnimmt, indem er die Straße reparieren lässt! Dass das reparierte Wasserrohr erneut platzte, das war vielleicht kein Zufall.