: „Warum Ausländer hierher kommen“
■ Lebenswege: Gesprächsreihe über und mit MigrantInnen vorerst beendet Von Stefanie Winter
Den „Kulturschock“ haben Angelina Akpovo-Grimm und David Kyungu unterschiedlich erlebt. Die Krankenschwester und Tänzerin aus Benin, die 1983 mit ihrem Mann – einem, wie sie sagt, richtigen Hamburger – nach Deutschland kam, erlebte nicht nur das Wetter als äußerst kühl. Mit ihrer überschäumenden Art sei sie häufig angeeckt, sie hatte das Gefühl zu stören. Der tansanische Journalist war 1982 „der Bildung wegen“ nach Deutschland gekommen und traf zuerst, in Bochum, auf alkoholisierte Fußballfans. Ein anderer, der mit Kyungu eingereist war, verließ daraufhin das Land nach vier Tagen. „Sie können sich vorstellen, welchen Eindruck er von Deutschland mitgenommen hat.“
Ihre „Lebenswege“ beschrieben Akpovo-Grimm und Kyungu als vorerst letzte Gäste einer Gesprächsreihe, die der Hamburger Ausländerbeauftragte gemeinsam mit der Neuen Gesellschaft und den Vereinen Geschichtswerkstatt und Stadtteilhaus St. Georg veranstaltet hat. „Wir wollten einen Teil der unzähligen verschiedenen Gründe aufzeigen, warum Ausländer hierher kommen und hier leben“, erklärte Michael Joho von der Geschichtswerkstatt, der die Gespräche mit Flüchtlingen, Aussiedlern und Einwanderern aus Europa, Lateinamerika und Afrika moderierte. Im Herbst diesen Jahres sollen die öffentlichen Gespräche fortgesetzt werden, trotz eines geschrumpften Etats des Ausländerbeauftragten. Dessen Mitarbeiterin, Ute Michel, wertet die Reihe bereits jetzt als Erfolg; 30 bis 40 BesucherInnen pro Abend seien bei einem solchen Thema „schon viel“.
Und auch in diesem kleinen, wohlwollenden Kreis trafen Akpovo-Grimm und Kyungu auf vorurteilende europäische Sicht: Polygamie sei frauenfeindlich. Kyungu hat 22 Geschwister von mehreren Müttern und hätte auch persönlich nichts gegen eine polygame Ehe. Akpovo-Grimm hingegen ist froh, einen Mann zu haben, der „ihr gehört“. Berichtet aber auch, daß ein afrikanischer Mann bei wichtigen Entscheidungen seine Frau um ihr Einverständnis bitten müsse. „Unterdrückt werden die Frauen doch hier in Deutschland.“
Die Tänzerin bezeichnet sich selbst als Entwicklungshelferin für Körper und Seele, unterrichtet europäische Frauen in afrikanischem Tanz. Kyungu hat in Hamburg fünf Jahre lang Film studiert. Einen großen Unterschied zwischen alten Daktari-Folgen und dem preisgekrönten Film „Jenseits von Afrika“ vermag er nicht zu erkennen. Beides sei jenseits afrikanischer Realität.
Ganz real hingegen ist für beide der Rassismus, der ihnen alltäglich begegnet. Nicht zuletzt, meint Kyungu, durch die immer wiederkehrende Frage, woher er denn kommt. Und wann er wieder „zurück“ gehe. Beide haben Afrika immer wieder besucht, wünschen sich aber keine „Rückkehr“. Trotz zahlreicher Bestätigungen und Bittbriefe verschiedener Medien, für die Kyungu arbeitet und auch arbeiten soll, wurde aber die Aufenthaltsbefugnis des Journalisten nicht mehr verlängert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen