: Wartezimmer des Himmels
■ Das Entspannungsraum-Theater der Gruppe „L & O“ auf Kampnagel
Ausgeschrieben bedeutet L & O Amsterdam: Love and Orgasm Amsterdam. Am einfachsten lassen sich die Theaterabende von L & O wohl mit einem berühmten Ereignis der Pop-Geschichte vergleichen, nämlich dem Sleep-In von Yoko Ono und John Lennon im Hotelbett. Nur dass die damaligen Journalisten und Voyeure jetzt Zuschauer und Teilnehmende sind. Von allen Aufführungen während des Bilderstürmer-Festivals auf Kampnagel sind die Abende von L & O wohl die entspanntesten. Die Zuschauer können herumliegen und träumen, während die Darsteller das gleiche tun, es wird vermutlich mehr Betten als Stühle geben.
Die Mitglieder von L & O lösen den theatralen Rahmen zugunsten einer gemeinsamen Chill Out Area auf. In ihrem ersten Stück Made in Heaven - Our own version – Singdance £ 2 dient alles einer Atmosphäre der Entspannung.
Die Performance basiert auf fes-ten Zeitabläufen, die von Lichtwechseln und akustischen Signalen geleitet werden. Zeit vergeht nicht in dramatischen Strukturen im Sinne wechselnder Spannung oder im Sinne von Konflikten. Die Gruppe sagt über ihren „zurückgelehnten Abend“: „Die Aufführung ist frei von Zielen, die es zu erreichen gilt, und frei von Erwartungen, die zu erfüllen wären. Man kann dabei erfahren was es bedeutet, die Zeit anzuhalten und den Raum zu leeren. Meditation.“ Was sich zuerst wie ein inszenierter Esoterik-Work-shop anhört, ähnelt vergleichbaren Ökodemic-Events nur auf Grund der dem Buddhismus verwandten Geisteshaltung. Dabei sind die Mitglieder von L & O zu ausgeflippt und eigenartig, um mit herkömmlichen Hippies verwechselt zu werden. Im Sinne David Byrnes von den Talking Heads tragen sie alle viel zu große Kaschmirmäntel und Anzüge, oder sind schlicht einfach nackt.
In ihrer zweiten Performance mit dem Titel Post Coitum Omne Animal Est singen sie Lieder wie „See you at the Gy“, erzählen Scheiß-Geschichten oder zeigen irgendwelche gefundenen Tierfilme. Wie in allen Aufführungen des Bilderstürmer-Festivals spielt keiner der Teilnehmenden bestimmte Rollen. Sie sind einfach da, tanzen so gut sie können, singen oder schlafen.
Im Theater gibt es zwei Arten von Langeweile, die eine, über die man sich ärgert, weil die Aufführung träge und pathetisch ist. Die andere ist eine kreative Langeweile, eine Leere, die mit eigenen Gedanken und Überlegungen gefüllt werden kann. L & O Amsterdam erzeugt Letzteres – die kreative Langeweile, die dezent heranschleicht. So ungefähr könnte der Himmel aussehen, oder zumindest die Wartelounge. Ivo Andric
Made in heaven – our own version – Singdance £ 2: 13.+14.11., 20 Uhr, k6.
Post Coitum Aomne Animal Triste Est: 15.+16.11., 21 Uhr, p1
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