: Warten auf Monica
■ Steffi Graf siegt in Key Biscayne, bleibt 1996 weiter ungeschlagen und zeigt Mitgefühl mit der vermißten Rivalin
Key Biscayne (dpa/taz) – Wenn heutzutage Frauen Tennis spielen, sind die anschließenden medizinischen Bulletins meist spannender als das Spiel selbst. Und während Steffi Graf trotz chronischer Rücken- und Vater-Probleme weiterhin nach Belieben siegt, wartet alles auf die erneute Rückkehr von Monica Seles, der einzigen Frau, der zugetraut wird, Graf überhaupt mal wieder zu schlagen. Die Leichtigkeit, mit der sich Graf den 97. Turnier-Sieg ihrer Karriere erspielte und dabei in insgesamt sechs Begegnungen nur 36 Spiele verlor, war für den Rest der nahezu vollständig versammelten Weltklasse recht beschämend. „Ganz ehrlich, ich bin ein bißchen überrascht, wie einfach es war. Ich hatte starke Gegnerinnen hier und habe im richtigen Moment immer die richtigen Schläge gemacht“, sagte die Brühlerin nach dem 6:1, 6:3 im Finale über Chanda Rubin, die sich nur tapfer wehren konnte.
„Man muß perfektes Tennis spielen, um eine Chance zu haben, und sie muß einen schlechten Tag haben“, sagte Chanda Rubin, die in vier Duellen gegen die Deutsche nie mehr als vier Spiele gewonnen hat. Aber von Perfektion konnte bei Rubin nicht die Rede sein. Von der Grundlinie aus versuchte sie mitzuhalten, und das war wohl das Dümmste, was sie hatte tun können. Graf statt dessen unterlief im ersten Satz nur ein vermeidbarer Fehler, im zweiten Durchgang wurde sie nicht viel schlechter. In der neuesten Weltrangliste wird sich Rubin trotz der Final-Niederlage vom neunten auf den siebten Rang verbessern. Und Lindsay Davenport, das Grafsche Halbfinal-Opfer, nannte die Weltranglisten-Erste die beste Spielerin aller Zeiten. Da wurde die so Gelobte dann doch verlegen: „Das kann man nicht sagen.“ Und „wirklich unwohl“ fühlte sie sich, als sie dazu etwas sagen sollte.
Es war der dritte Erfolg in drei Jahren in Key Biscayne für Graf, sie hat in diesem Jahr überhaupt noch kein einziges Spiel verloren und sieht sich doch selbst noch um einiges von ihrer Bestform entfernt. „Ich kann es nicht glauben. Da schlägt sie uns alle so problemlos und ist immer noch nicht zufrieden“, runzelte Rubin die Stirn, „aber deshalb steht sie, wo sie steht und ist, wer sie ist.“ Vielleicht wollte Rubin bei 47 Grad Hitze auch nur schnell vom Platz. Nach nur 55 Minuten war entschieden, daß Graf den 210.000-Dollar- Scheck einlösen kann.
Weiterhin spielt Graf wohl am besten, wenn der Papa noch im Gefängnis sitzt. Tennis ist im Moment Therapie für sie, hat sie bereits zugegeben. Und die Flucht funktioniert und trägt ihr zudem Sympathien ein. Für ihre Verhältnisse ungemein fröhlich genoß sie die stehenden Ovationen der 14.000 Zuschauer.
Und solange Monica Seles pausieren muß, wird Graf wohl auch weiter nach Belieben dominieren. Wegen eines Muskelrisses im Schultergelenk ihres linken Schlagarms mußte die 21 Jahre alte Amerikanerin auch das Turnier in der kommenden Woche in Hilton Head absagen. Sollte nicht bald Besserung eintreten, will sie sich sogar operieren lassen. „Es ist schade, daß sie so viele Probleme hat“, zeigte sich Graf mitfühlend, „ich bin auf dem richtigen Weg zurück, und ich hoffe, sie spielt auch bald wieder.“ Graf selbst wird zwei Wochen pausieren, daß sich ihr malader Rücken erholen möge, und will dann in Tokio in der Halle spielen. Wenn nicht das nächste Bulletin dazwischen kommt.
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