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Warnung vor Bürgerkrieg

■ Nationalitätenkonflikt in Armenien hat durch die Erdbebenkatastrophe nicht an Brisanz verloren Bürgerrechtler: Untergrund ist bewaffnet / Planung für Wiederaufbau angelaufen

Moskau (ap/dpa/afp) - Gemeinsam mit dem armenischen Parteiführer Arutunjan forderte Ministerpräsident Ryschkow auf der vom Fernsehen übertragenen Pressekonferenz einen Kompromiß im Nationalitätenkonflikt: die in Moskau im Juli beschlossene Ablehnung des armenischen Gesuchs, die autonome Region Berg-Karabach einzugliedern, habe das Problem nicht gelöst. Das sowjetische Parteiorgan 'Prawda‘ berichtete unterdessen von mehreren Festnahmen in Aserbeidschan wegen Anstiftung zum Aufruhr.

Die Erdbebenkommission des Politbüros der KPdSU mit Ministerpräsident Ryschkow an der Spitze ist am Dienstag aus Armenien nach Moskau zurückgekehrt. Die Kommission, der auch Verteidigungsminister Jasow angehört, bekräftigte, die Städte Leninakan und Kirowakan sollten innerhalb zweier Jahre an Ort und Stelle wiederaufgebaut werden. Allein das am stärksten zerstörte Spitak müsse um einige Kilometer verlegt werden, weil der alte Ort auf einer besonders bebengefärdeten Nahtstelle zwischen zwei Platten der Erdkruste liege. Die Kommission wird in der ersten Januarwoche an den Ort der Katastrophe zurückkehren, um die Aufbauarbeiten zu koordinieren. Schon jetzt ist eine sowjetische Architektengruppe an Ort und Stelle mit der Planung erdbebensicherer Bauten beschäftigt. Die Anzahl der Stockwerke soll zukünftig begrenzt werden. Zur Beratung beim Wiederaufbau sind auch eine französiche Expertengruppe sowie 16 amerikanische Seismologen in Armenien eingetroffen.

Vor der Gefahr eines Bürgerkrieges in Armenien, „der sich auf die ganze Sowjetunion ausbreiten kann“, hat der im Untergrund lebende armenische Bürgerrechtler Aschot Manutscharjan gewarnt. In einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin 'Stern‘ protestierte er gegen die Verhaftung von Mitgliedern des Karabach-Komitees und sagte: „In ganz Armenien stehen Jugendliche bereit, die mit Handgranaten und Gewehren bewaffnet sind. Keiner kennt ihre genaue Zahl. Aber wenn die Situation eskaliert, dann werden sie auch zuschlagen“.

Den Leitern von aserbaidschanischen Speditionsunternehmen und Mitarbeitern des Innenministeriums werde vorgeworfen, Schmiergelder in Höhe von insgesamt 100.000 Rubeln angenommen zu haben. Das Geld sei für die Veranstaltung von nichtgenehmigten Kundgebungen gesammelt worden. Außerdem hätten sie Fahrer zum Streik gedrängt und dafür gesorgt, daß Juden, Armenier und Russen ihre Arbeit gekündigt hätten.

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