: War Vereinigung früher möglich?
■ 'Stern‘: UdSSR war 1953 sogar zur Aufgabe der DDR-Eigenstaatlichkeit bereit gewesen
Hamburg (afp) — Die Sowjetunion war nach Informationen des 'Sterns‘ im Jahre 1953 bereit, den Sozialismus und die Eigenständigkeit der damaligen DDR aufzugeben. Der Aufstand vom 17. Juni habe die Sowjetführung, die keine bedingungslose Kapitulation der Moskauer Parteispitze hinnehmen wollte, dann gezwungen, den SED-Flügel unter Führung von Walter Ulbricht zu stärken. Dies beweise ein bisher geheimgehaltenes siebenseitiges Dokument aus dem Nachlaß des 1964 verstorbenen DDR-Ministerpräsidenten Otto Grotewohl, das der 'Stern‘ in seiner nächsten Ausgabe veröffentlicht. In dem Dokument über „die Maßnahmen zur Gesundung der politischen Lage in der Deutschen Demokratischen Republik“ werde die SED aufgefordert, „die realen Bedingungen der DDR wie auch die Lage in ganz Deutschland zu berücksichtigen“. Das Dokument sei der vom 2. bis 4. Juni 1953 nach Moskau bestellten SED-Führung diktiert worden, nachdem das ZK der KPdSU die Lage in der DDR analysiert hatte. Starker Mann der Sowjetführung sei nach dem Tode Josef Stalins der ehemalige Geheimdienstchef Lawrentij Berija gewesen. Nach Angaben des 'Stern‘ werden in dem Papier die desolate wirtschaftliche Lage in der DDR, die Folgen der Zwangskollektivierung der Landwirtschaft, der Druck auf die Kirchen, der Terror im Innern und die wachsende Unzufriedenheit der Bevölkerung geschildert, die sich in zunehmenden Flüchtlingszahlen äußerten. Der SED-Führung wurden harte Vorwürfe gemacht. „Fälschlicherweise“ sei „der Kurs auf einen beschleunigten Aufbau des Sozialismus in Ostdeutschland genommen worden“, heißt es laut 'Stern‘.
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