Wandern in Peru: Mit Esel und Maultier in den Anden
Der Santa Cruz Treck ist der beliebteste Wanderweg durch den Nationalpark Huascarán. Am Punta Unión führt der Weg auf 4.750 Meter hoch hinauf.
Eine dünne Eisschicht überzieht das Zeltdach, Raureif bedeckt das Gras, die Ränder der Lagune Saquicocha sind gefroren und aus den Nüstern der Esel dampft der Atem. Über den schwarzen Steilwänden hinauf zum Pass Punta Unión steht morgens um 7 Uhr noch der fast volle Mond, hinter dem schneebedeckten Taullirajo im Osten leuchtet bereits die Sonne, aber ihre ersten Strahlen erreichen das Camp auf 4.300 Meter Höhe erst nach 7 Uhr. Epifanio, Koch und Wanderführer in der Cordillera Blanca, hatte schon gewarnt, nicht zu früh aufzustehen.
„Hace frio“, sagte er, es ist kalt. Und da es in den Nächten zuvor auf dem Treck entlang des Camino Santa Cruz zwischen den 6.000ern der Cordillera Blanca auch schon kalt war, deutete die Warnung eindeutig auf „eiskalt“.
Doch kaum sind wir aus dem Zelt, bringen Epifanio und der zweite Wanderführer Miguel Becher mit heißem Mate de Coca. Der Tee schmeckt nach Heu, wärmt aber und Coca ist in den Anden ein bewährtes Mittel gegen die Höhenkrankheit. Seit 4.000 Jahren kauen die Bewohner der Anden die grünen Blätter des Coca-Strauchs, regen damit den Kreislauf an und dämmen Müdigkeit und Hunger.
Heute geht es hoch hinaus. Vom Camp zieht sich ein schmaler Pfad entlang mehrerer kleiner Lagunen. Nach den ersten 150 Höhenmetern endet der Pfad an einem bucklig ansteigenden Felsen. Mit ganz kleinen Schritten geht es weiter hinauf. Die geringste Schrittlänge suchend, steige ich über den glatten, aber griffigen Felsen, über Steinquader und schließlich über die Stufen einer alten Inka-Treppe, bis ich plötzlich im steinernen Tor im Durchbruch der Punta Unión auf 4.750 Metern Höhe stehe.
Das Städtische Zentrum der Cordillera Blanca ist Huaraz, das von Lima aus in acht Stunden per Bus oder in 45 Minuten mit dem Flugzeug erreicht werden kann.
Huaraz (auf 3.090 Meter) wurde beim Erdbeben vom 31. Mai 1970 fast vollständig zerstört und danach neu aufgebaut. Die Stadt ist nicht schön, bietet aber ein turbulentes Leben zwischen andin-indigener Kultur und Moderne mit ausgeprägtem Nachtleben.
Wanderer und Bergsteiger sollten mindestens drei Tage vor Beginn ihres Trecks zur Anpassung an die Höhe anreisen und von Huaraz aus Tagestouren in die sehr schöne Umgebung machen. Wer es beschaulicher und ursprünglich mag, kann zunächst zwei Tage im kleineren Caraz (auf 2.290 Meter) verbringen, von dort wandern und dann ins 60 Kilometer entfernte Huaraz wechseln.
Caraz ist völlig untouristisch, hat aber Ambiente und einige Aussteiger aus Lima angezogen.
Wanderagenturen: in Huaraz: Huascaran Adventure Travel Agency, huascaran-peru.com.
in Caraz: Pony Expeditions, ponyexpeditions.com.
Ich ringe nach Luft. Unter mir liegt die Lagune Arhuaycocha, über mir ragen die eisbedeckten Spitzen von Rinrijirca und Pucajirca. Der Santa Cruz Treck ist der beliebteste Wanderweg durch den Nationalpark Huascarán in der Cordillera Blanca im Norden Perus. Hier drängen sich die 6.000er, darunter der 6.768 Meter hohe Huascarán und der „schönste Berg der Welt“, der Alpamayo, mit 5.947 Metern.
Wanderer müssen zelten
Da auf den 40 Kilometern vom Parkeingang durch das Flusstal der Quebrada Huaripampa über den Durchbruch von Punta Unión bis zum Dorf Cashapampa keine Herbergen stehen, müssen Wanderer zelten.
Den Weg können geübte und an die Höhe angepasste Wanderer problemlos gehen. Aber nicht jeder kann Zelt und Verpflegung für vier Tage schleppen. Zudem dürfen Einzelwanderer nur mit einem Ausweis einer Bergsteigerorganisation wie dem Deutschen Alpenverein allein Mehrtagestouren unternehmen. Daher wandern die meisten in Gruppen mit Führer, Koch, Eseltreiber und Eseln für das Gepäck.
Seit Februar 2012 ist der Weg nur teilweise begehbar. In der stärksten Regenzeit hat eine Schlammlawine eine Lagune mit sich gerissen und den Weg entlang des Santa Cruz hinweggespült. Bis auf weiteres ist der Santa Cruz Treck daher ein Rundweg, denn bei Punta Unión müssen Wanderer umdrehen und zurück zum Ausgangspunkt beim Dorf Vaquería und dort den Minibus zurück nach Huaraz nehmen.
Doch dahin führen viele Wege. Epifanio (43) liebt die Berge glücklicherweise ebenso wie gutes Essen und deswegen ist er auch allein tagelang in der Cordillera Blanca unterwegs und sucht nach begehbaren Hängen und Graten. Von Punta Unión führt er uns zielstrebig über Felsen und Hänge mit kniehohen Ichu-Grasbüscheln, durch Bäche und unter Wasserfällen hindurch. Pumas leben hier, Hirsche, Andenschakale und erstaunlich kleine Füchse. In den Felsen brüten Kondore und Adler. Menschen treffen wir in den vier Tagen keine, nicht einmal Flugzeuge ziehen am Himmel.
Süßkartoffeln und Avocadosalat
„Der Chakraraju hat ein Gesicht“, sage ich zu Epifanio, nachdem ich mit dem Fernglas am Ostabhang des in der Ferne stehenden 6.112 Meter hohen Massivs ein scharf geschnittene Profil mit markanter Nase ausgemacht habe. „Hmm, claro“, sagt er zustimmend und knabbert weiter an der gebratenen Hähnchenkeule, die er heute mit Süßkartoffel und Avocadosalat zum Mittag serviert hat. In einem Aluminiumtopf transportiert Epifanio jeden Tag das Mittagessen in seinem Rucksack und überrascht die vier Wanderer schon am ersten Tag mit Cebiche, dem peruanischen Nationalgericht aus rohem Fisch, Limetten und Chili.
„Klar hat der Chakraraju ein Gesicht“, sagt er. Für seine Vorfahren waren die Berge heilig, jeder Berg war eine Gottheit, die die Menschen mit Opfergaben beruhigt und wohlgestimmt haben. Auch Miguel und Epifanio bitten vor jeder Wanderung um eine gute Zeit in den Bergen.
Die Achtung vor den Bergen und den ehrfurchtsvollen Respekt vor der Natur hat Miguel (24) von seinem Großvater gelernt. Mit ihm ist er schon als kleiner Junge von seinem Heimatdorf hinauf auf die Berge der Cordillera gestiegen und hat die Wasserläufe und kleinen Kanäle so gelenkt, dass sie über die Felder des Dorfes laufen.
Buntgestreifte Tücher
Am Leben in den Dörfern der hohen Anden hat sich seit Miguels Kindheit nicht viel geändert, folgt man seinen Erzählungen, während wir durch Huaripampa am Eingang zum Nationalpark gehen. Wir gehen durch die Felder mit Kartoffeln, Bohnen, Mais oder Quinua, die links und rechts des Weges auf Terrassen liegen.
Manchmal raschelt es oberhalb des Weges und für einen Moment schaut ein dunkles Gesicht mit Filzhut durch das Grün. Auf dem Weg begegnen uns Frauen in knielangen Röcken, ein bunt gestreiftes Tuch um die Schultern, in dem sie Brennholz, ein Kind, oder was sie sonst so zu transportieren haben, tragen.
Zwischen den Chakras, den Feldern, stehen die aus Lehmziegeln gebauten Gehöfte, zu denen Wege aus flachen Steinen aus dem Fluss führen. Aus Huaripampa stammt auch Humberto, der die Zelte auf- und abbaut und das Gepäck auf drei Eseln und zwei Mauleseln transportiert. Abends serviert er Quinuasuppe und gebratene Forelle, wobei er elegant „Señorita“ sagt. Macht man einen Scherz über die Forellen und die Angelkünste von Epifanio, klingt Humbertos Lachen, als käme es direkt aus den Tiefen des Chakraraju, dunkel und vertrauensvoll, in völligem Einklang mit dem Hier und Jetzt.
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